Aktuelle Rechtslage und Risiken für Familienunternehmen
In den vergangenen Jahren hat der Gesetzgeber eine Reihe von gesetzlichen Regelungen
verabschiedet, die Unternehmen und ihre Gesellschafter zur Veröffentlichung vertraulicher Informationen
zwingen. Viele dieser Regelungen haben ihren Ursprung in der Europäischen Union.
Nicht nur multinationale Großkonzerne sind von den Auflagen betroffen, sondern auch zahlreiche
Familienunternehmen. Die Stiftung Familienunternehmen hat mehrere Vorhaben auf ihre Wirkung hin untersuchen lassen
und die zunehmenden Publizitätspflichten auch datenschutzrechtlich bewertet.
Transparenzregister
Die Veröffentlichung der „Panama“- und „Paradise“-Papers in internationalen Medien
hat die Diskussion um Briefkastenfirmen neu entfacht. Der Vorwurf wurde erhoben, Briefkastenfirmen leisteten
Geldwäsche und Steuerhinterziehung Vorschub. Obwohl bisher nur wenige Fälle bekannt geworden sind, in
denen ein Fehlverhalten nachgewiesen worden ist, nahm dies die Politik zum Anlass, die Transparenzregeln
für Unternehmen generell zu verschärfen. Die EU brachte das Transparenzregister auf den Weg. Am 23.
Juni 2017 wurde das Gesetz zur Umsetzung der 4. Geldwäscherichtlinie beschlossen. Es sieht vor, dass ein
zentrales elektronisches Transparenzregister mit Angaben zu den wirtschaftlich Berechtigten von Unternehmen,
Stiftungen und Trusts eingerichtet wird. Wirtschaftlich Berechtigter ist jeder, der eine Beteiligung von mehr
als 25 Prozent hält. Lässt sich der wirtschaftlich Berechtigte nicht aus einem anderen
öffentlichen Register – wie etwa dem Handelsregister – herleiten, ist eine Meldung an das
Transparenzregister verpflichtend. Bisher haben nur Personen mit berechtigtem Interesse Zugriff auf dieses
Register, wobei der Personenkreis, der auch Journalisten und Nichtregierungsorganisationen umfasst, weit gefasst
ist. Inzwischen hat die EU schon die 5. Geldwäscherichtlinie vorgelegt: Von 2020 an sollen der Name des
Gesellschafters, Geburtsmonat und Geburtsjahr, das Wohnsitzland sowie Art und Umfang des wirtschaftlichen
Interesses ohne Einschränkung für jedermann einsehbar werden. Damit stehen sensible Daten von
Unternehmern im Internet. Die Gefahr ist umso größer, als diese Informationen mit anderen Angaben aus
Offenlegungspflichten verknüpft werden können.
Aushöhlung des Datenschutzes
Mit dem Transparenzregister wird eine neue Dimension erreicht. Die Entwicklung hin zum
„gläsernen“ Unternehmer setzt sich rasant fort. Zu diesem Schluss kommt die Untersuchung
der Rechtswissenschaftler Prof. Ralf P. Schenke und Prof. Christoph Teichmann von der Universität
Würzburg im Auftrag der Stiftung Familienunternehmen. Die Rechtswissenschaftler sehen in den
Maßnahmen des Gesetzgebers eine Aushöhlung datenschutzrechtlicher Standards auf unternehmerischer
Ebene. Bisher beschränkte der Gesetzgeber sich darauf, dass sensible Unternehmensdaten von
Behörden eingesehen werden können. Zugriff auf das Transparenzregister haben nach geltendem Recht auch
bestimmte Gruppen mit berechtigtem Interesse. Problematisch ist aus Sicht der Wissenschaftler, dass
vertrauliche Daten bald einer breiten Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden. Die Studienautoren
stellen fest: „Derartige Publizitätspflichten stellen den denkbar stärksten Eingriff in die
informationelle Selbstbestimmung dar, weil veröffentlichte oder allgemein zugängliche Daten faktisch
zu beliebigen Zwecken genutzt werden können.“ Der Grundrechtsträger habe damit praktisch keine
Möglichkeit mehr, die weitere Verwendung der Informationen zu kontrollieren, so die Studie. Damit werden
die Datenschutzrechte der Unternehmer verletzt, argumentieren die Forscher.
Verschiedene Offenlegungspflichten
Wenig Beachtung findet bisher, wie die verschiedenen Transparenzpflichten für Unternehmen und deren
Gesellschafter zusammenwirken. Dieser Zusammenhang ist erstmals umfassend in der Studie der Stiftung
Familienunternehmen untersucht worden. Im Handels- und Gesellschaftsrecht haben Offenlegungspflichten eine lange
Tradition. So dienen die Informationen im Handelsregister beispielsweise den legitimen Interessen von
Geschäftspartnern und Gläubigern, die über die Haftungsverhältnisse eines Unternehmens
Bescheid wissen wollen. Handelsregister-Informationen sind jedermann zu Informationszwecken
zugänglich. Darüber hinaus sind Kapitalgesellschaften verpflichtet, ihren Jahresabschluss, den
Lagebericht und den Bestätigungsvermerk des Abschlussprüfers offenzulegen. Personengesellschaften sind
davon in bestimmten Fällen ausgenommen. Nicht ohne Grund wird börsennotierten Gesellschaften ein
besonders starkes Maß an Publizität abverlangt. Dies dient dem Schutz der Aktionäre. Von der
Kombination mehrere Offenlegungspflichten sind in immer stärkerem Maß auch Familienunternehmen
betroffen. Das gilt besonders in diesem Fall: Die EU beabsichtigt, größere Unternehmen durch das
sogenannte Country-by-Country Reporting einer besonderen Publizitätspflicht zu unterwerfen. Zentrale
Unternehmensdaten über die Gewinnsituation, die Geschäftsfelder und die Steuerbelastung müssen
– nach Staaten aufgeschlüsselt – vorgelegt werden. Die EU will diese Daten künftig ins
Internet stellen. Das hat weitreichende Konsequenzen.
Folgen für Unternehmen und Gesellschafter
Im Zusammenspiel mit handelsrechtlichen Vorschriften kann sich künftig jedermann ein Bild von den
Vermögens- und Einkommensverhältnissen der Unternehmen und einzelner Gesellschafter machen. Wie
Puzzleteile können die öffentlich verfügbaren Daten zu einem Gesamtbild zusammengefügt
werden. Das birgt Gefahren für den unternehmerischen Erfolg und die private Sicherheit der Gesellschafter.
Wettbewerber aus Nicht-EU-Staaten, die selbst nicht mit dem hohen Maß an Offenlegungspflichten
unterliegen, können damit Rückschlüsse auf die Geschäftspolitik von EU-Unternehmen ziehen.
Konsequenzen ergeben sich auch für die Privatsphäre von Gesellschaftern: Sie werden öffentlich
selbst dann bekannt, wenn sie im Unternehmen keine aktive Rolle spielen. Es stellt sich die Frage, warum der
Gesetzgeber die Unternehmen unter Generalverdacht der Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung stellt, denn
dem will die EU mit dem Transparenzregister vorbeugen.
„Inwieweit die vom Gesetzgeber verfolgten Ziele mit diesen Maßnahmen überhaupt erreicht werden können, muss in Zweifel gezogen werden, da kriminelle Organisationen sicherlich nicht den geforderten Transparenzpflichten nachkommen werden, sondern andere Wege finden. Was bleibt, ist ein unnötiger bürokratischer Aufwand, welcher die Wettbewerbssituation europäischer Firmen im internationalen Vergleich schwächt und die persönliche Sicherheit rechtschaffender Unternehmer und ihrer Familien unnötig gefährdet.“
Stefan Heidbreder,
Geschäftsführer der Stiftung Familienunternehmen"
Jahresheft: „Aspekte der Unternehmenstransparenz“
Studie: „Der EU-Vorschlag zum Country-by-Country Reporting im Internet – Kosten, Nutzen, Konsequenzen“
Studie: Publizitätspflichten von Familienunternehmen - Bestandsaufnahme und datenschutzrechtliche Bewertung