
Großbritannien wird für Familienunternehmen durch den Austritt aus der Europäischen Union deutlich an Attraktivität verlieren. Selbst noch stärkere Senkungen der Unternehmenssteuern in Großbritannien werden daran nichts ändern. Das geht aus einer Umfrage der Stiftung Familienunternehmen unter 1250 Unternehmen hervor, die durch das ifo Institut zwischen April und Juli durchgeführt wurde.
Demnach verneinten 26,5 Prozent der befragten Familienunternehmen mit Geschäftsbeziehungen zu Großbritannien, dass britische Steuerreformen und -senkungen die möglichen Nachteile des Brexits aufwiegen könnten. Unter den großen Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeitern lag dieser Anteil sogar bei 37,1 Prozent. Nur 10,8 Prozent der befragten Familienunternehmen gaben an, dass eine Steuerreform die Nachteile des Brexits wettmachen könne. Unter den Unternehmen mit mehr als 250 Beschäftigten waren es 14,6 Prozent.
Der Brexit stellt eine Zäsur in den deutsch-britischen Wirtschaftsbeziehungen dar. Neben der Unsicherheit über die künftigen Handelsbeziehungen bereitet Familienunternehmen vor allem Sorge, welche Regeln künftig in Bezug auf Großbritannien gelten. „Für Familienunternehmen ist die Rechtsunsicherheit vor dem Brexit ein erhebliches Problem, das auch durch niedrigere Steuern in Großbritannien nicht gelöst werden kann“, sagt Prof. Rainer Kirchdörfer, Vorstand der Stiftung Familienunternehmen.
So droht beispielweise den in Großbritannien lebenden Gesellschaftern von Familienunternehmen der Vollzug der Wegzugsbesteuerung, wenn Großbritannien zu einem Drittland wird. In Großbritannien lebende Gesellschafter wären – sofern sie nicht nach Deutschland zurückziehen – gezwungen, Geld aus dem Unternehmen zu entnehmen oder ihre Anteile zu verkaufen. Zum Hintergrund: Bei „Wegzug“ in einen Drittstaat werden die stillen Reserven in den Unternehmensanteilen einer Kapitalgesellschaft aufgelöst und als Gewinn versteuert. Es wird praktisch die Veräußerung der Anteile fingiert. Beim Wegzug innerhalb der Europäischen Union wird die Steuer gestundet.
Weiterhin benötigen Familienunternehmen eine gesetzliche Regelung, dass bei der Entlastung von Teilen des Betriebsvermögens im Rahmen der Erbschaft- und Schenkungsteuer in Großbritannien geschaffene Arbeitsplätze auch weiterhin berücksichtigt werden. Der Gesetzgeber macht den Verschonungsabschlag bei der Erbschaftsteuer vom langfristigen Erhalt von Arbeitsplätzen abhängig, wozu auch Arbeitsplätze in anderen EU-Mitgliedstaaten gehören.
Neben den Unterhändlern in Brüssel und London ist deswegen auch die deutsche Bundesregierung aufgerufen, Klarheit zu schaffen. „Der Brexit wird die Volkswirtschaften in Deutschland wie auch in Großbritannien belasten“, sagt Kirchdörfer. „Der deutsche Gesetzgeber sollte das in seiner Macht Stehende tun, um unnötige Härten zu verhindern. Nötig wäre ein Härtefallvermeidungsgesetz, das Klarheit schafft, dass Familienunternehmen durch den Brexit nicht benachteiligt werden.“
Mehr als 90 Prozent aller Unternehmen in Deutschland sind Familienunternehmen. Die gemeinnützige Stiftung Familienunternehmen setzt sich für den Erhalt dieser Familienunternehmenslandschaft ein. Sie ist der bedeutendste Förderer wissenschaftlicher Forschung auf diesem Feld und Ansprechpartner für Politik und Medien in wirtschaftspolitischen, rechtlichen und steuerlichen Fragestellungen. Die 2002 gegründete Stiftung wird mittlerweile getragen von über 500 Firmen aus dem Kreis der größten deutschen Familienunternehmen.
Bitte nur beantworten sofern Sie in Großbritannien geschäftlich tätig sind oder planen, Geschäftsbeziehungen aufzunehmen: Können britische Steuerreformen und -senkungen die möglichen Nachteile des „Brexit“ für Sie als deutsches Unternehmen aufwiegen?
a) Alle auswertbaren Antworten aus der Gesamtstichprobe
b) Große Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeitern
c) Internationale vs. nur in Deutschland tätige Unternehmen