
Familienunternehmen und ihre Gesellschafter werden durch die stets wachsende Anzahl an Publizitätspflichten einer immer stärkeren gesellschaftlichen Kontrolle unterworfen. Gleichzeitig verletzen viele dieser Regelungen die Datenschutzrechte der Unternehmer über das vertretbare Maß hinaus. Das ist ein zentrales Ergebnis der ersten umfassenden Studie zu diesem Thema, die die Stiftung Familienunternehmen in Auftrag gegeben hat.
Mehrere von der Europäischen Union erlassene Publizitätspflichten verstoßen der Studie zufolge gegen das Unionsrecht. Sowohl das jüngst verschärfte Transparenzregister als auch das diskutierte öffentliche Country-by-Country Reporting dürften demnach einer Klage vor dem Europäischen Gerichtshof nicht standhalten. Das geht aus der Untersuchung der Würzburger Rechtswissenschaftler Prof. Dr. Ralf P. Schenke und Prof. Dr. Christoph Teichmann hervor.
„Die Europäische Kommission ist mit der Pflicht maximaler Offenlegung von Daten über das Ziel hinausgeschossen“, kommentiert Prof. Rainer Kirchdörfer, Vorstand der Stiftung Familienunternehmen. „Es ist besser, der europäische Gesetzgeber reagiert jetzt, als auf eine Entscheidung der Richter des Europäischen Gerichtshofs zu warten. Die EU-Staaten sollten dem öffentlichen Country-by-Country Reporting, das Unternehmen erheblich im Wettbewerb schwächen würde, ihre Zustimmung verweigern.“
Kirchdörfer mahnt ein Umdenken an: „Während allgemein höhere Standards für den Datenschutz eingefordert werden, erleben wir, dass Unternehmer zunehmend unter Generalverdacht gestellt und zur entsprechenden Offenlegung von Informationen angehalten werden. Durch die Kombination zahlreicher öffentlich zugänglicher Informationsquellen lässt sich ein immer genaueres Bild von den privaten Verhältnissen der Unternehmer zeichnen. Wenn wir keine Trendwende erreichen, droht ein Abgleiten in eine Kontrollgesellschaft.“
Die Studienautoren sprechen vor diesem Hintergrund von einem Paradigmenwechsel. „Transparenz war bislang immer gegen den Staat gerichtet und diente der Kontrolle und Disziplinierung staatlicher Macht. Werden Transparenz und Publizität nun gegenüber Privaten eingefordert, wird damit bewusst oder unbewusst ein Etikettenschwindel betrieben“, schreiben sie.
Der Europäische Gerichtshof setzt der Europäischen Union enge datenschutzrechtliche Grenzen, die sowohl durch das Transparenzregister als auch durch das öffentliche Country-by-Country Reporting überschritten werden. In beiden Fällen seien keine milderen Mittel zur Erreichung der rechtspolitischen Ziele geprüft worden. Darüber hinaus widerspreche es den unionsrechtlichen Vorgaben, wenn Daten anlasslos erhoben werden, also beispielsweise, ohne dass ein erhöhtes Geldwäscherisiko besteht. Zuletzt fehle es an den gebotenen verfahrensrechtlichen Sicherungen, also an konkreten Vorgaben für die EU-Mitgliedstaaten, was datenschutzrechtliche Standards bei der Umsetzung betrifft.
Das Transparenzregister, das Anfang 2018 voll umfänglich die Arbeit aufnahm, erlaubt Personen mit „berechtigtem Interesse“ die Einsichtnahme in Daten der wirtschaftlich Berechtigten von Unternehmen, Stiftungen und Trusts. Ohne die Wirkung abzuwarten, beschloss der EU-Ministerrat im Mai 2018 eine vollständige Öffnung des Registers für jedermann ab 2020. Im Rahmen des geplanten öffentlichen Country-by-Country Reporting sollen Unternehmen mit Niederlassungen in der EU sensible Geschäftsinformationen frei verfügbar ins Internet stellen, obwohl auf globaler Ebene bereits eine Offenlegung dieser länderspezifischen Daten gegenüber den zuständigen Finanzbehörden vereinbart wurde.
Mehr als 90 Prozent aller Unternehmen in Deutschland sind Familienunternehmen. Die gemeinnützige Stiftung Familienunternehmen setzt sich für den Erhalt dieser Familienunternehmenslandschaft ein. Sie ist der bedeutendste Förderer wissenschaftlicher Forschung auf diesem Feld und Ansprechpartner für Politik und Medien in wirtschaftspolitischen, rechtlichen und steuerlichen Fragestellungen. Die Stiftung wird getragen von rund 500 Firmen aus dem Kreis der größten deutschen Familienunternehmen.