
Die Stiftung Familienunternehmen legt ein Modell vor, mit dem die Auswirkungen neuer Gesetze für Familienunternehmen frühzeitig sichtbar gemacht werden sollen. Das Ziel des Familienunternehmen-Tests ist es, dass Familienunternehmen als tragende Säule unserer Volkswirtschaft im Gesetzgebungsprozess angemessene Berücksichtigung finden, und nicht gegenüber anonymen Konzernen im Streubesitz benachteiligt werden.
Das von Prof. Dr. Mathias Habersack (Ludwig-Maximilians-Universität München) erarbeitete Modell sieht vor, dass der Gesetzgeber schon am Anfang des Gesetzgebungsprozesses mögliche Folgen der geplanten Regelungen für Familienunternehmen prüft. Die sogenannte „Gesetzesfolgenabschätzung“ wird bereits auf kleine und mittlere Unternehmen (KMU) angewendet. Künftig sollte es neben dem KMU-Test auch einen Familienunternehmen-Test in Deutschland und in der Europäischen Union geben. Davon würden auch die zahlreichen großen Familienunternehmen erfasst werden. Jedes dritte Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeitern ist ein Familienunternehmen und fällt deswegen nicht mehr unter die KMU-Definition.
„Der Gesetzgeber sollte künftig systematisch prüfen, ob Familienunternehmen von gesetzlichen Maßnahmen betroffen sind“, sagt Prof. Rainer Kirchdörfer, Vorstand der Stiftung Familienunternehmen. „Gesetze, die in der Vergangenheit mit Blick auf Großkonzerne gemacht wurden, können gravierende Auswirkungen auf Familienunternehmen haben. Das von uns vorgelegte Konzept soll dabei helfen, diese unerwünschten negativen Effekte von vornherein zu erkennen und zu verhindern – in Deutschland und auf europäischer Ebene.“
In der aktuellen Corona-Krise gewinne eine solche Prüfung an zusätzlicher Bedeutung. „Die vergangenen Krisenerfahrungen haben uns gezeigt, dass Familienunternehmen das stabilisierende Element unserer Volkswirtschaft sind. Wir müssen deswegen darauf achten, dass wir Familienunternehmen nicht benachteiligen. So schaffen wir die Bedingungen für einen nachhaltigen Aufschwung sowie einen Beitrag zur langfristigen Stabilität unserer Volkswirtschaft.“
„Ziel des Tests muss es sein, von einem Gesetzgebungsvorhaben ausgehende besondere Belastungen für Familiengesellschaften zu identifizieren und es auf diese Weise dem Gesetzgeber zu ermöglichen, auf hinreichender Informationsgrundlage über die Realisierung des Gesetzgebungsvorhabens zu befinden“, sagt Professor Habersack.
Die besondere Betroffenheit von Familienunternehmen von gesetzlichen Maßnahmen ist oftmals keine Folge der Unternehmensgröße, sondern den oft über Generationen gewachsenen besonderen Inhaberstrukturen geschuldet. Im Gegensatz zu anonymen Konzernen im Streubesitz achten Familienunternehmen auf generationenübergreifende Stabilität und Unabhängigkeit. Damit leisten sie auch einen Beitrag zur volkswirtschaftlichen Stabilität.
In der Studie werden deswegen verschiedene Leitfragen entwickelt, die künftig im Rahmen des Gesetzgebungsverfahren gestellt werden sollten, um die besondere Betroffenheit von Familienunternehmen zu ermitteln. Sie betreffen Aspekte der Corporate Governance, der Generationenfolge und der Fremdverwaltung von Geschäftsanteilen ebenso wie Publizitätspflichten, die Finanzierung von Familienunternehmen sowie die Mobilität von Gesellschaftern.
Ein Beispiel für Gesetze, die sich in besonderem Maße negativ auf Familienunternehmen auswirken, sind die Transparenzregeln, die Gesellschafter von Unternehmen zur Offenlegung ihrer persönlichen Verhältnisse zwingen. Diese Regel wurde auf EU-Ebene eingeführt, um den Kampf gegen Geldwäsche und Terrorfinanzierung zu verstärken. Dies beeinträchtigt allerdings auch Gesellschafter von Familienunternehmen, die sich nichts zu Schulden haben kommen lassen.
Auch von der Geschlechterquote im Aufsichtsrat sind Familienunternehmen in besonderer Weise betroffen. Gesetzlich sind bestimmte Gesellschaften seit 2016 verpflichtet, einen jeweiligen Geschlechternateil von 30 Prozent im Aufsichtsrat sicherzustellen. Das greift tief in die Autonomie der Gesellschafter ein und kann auch praktisch zu Problemen führen, wenn es im Familienkreis nur Töchter oder Söhne gibt.
Familienunternehmen sind der dominierende Unternehmenstypus in Europa. Neun von zehn Unternehmen in Deutschland sind Familienunternehmen. Sie stellen hierzulande 60 Prozent der Beschäftigten. In der Europäischen Union ist offiziellen Schätzungen zufolge fast jeder zweite abhängig Beschäftigte bei einem Familienunternehmen angestellt.