Die reformierte Wegzugsbesteuerung
- Herausgeber
- Stiftung Familienunternehmen
- Veröffentlichung
- München, 2022
- Institut
- Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
- Isbn
- 978-3-948850-12-8
Die Wegzugsbesteuerung greift, wenn eine steuerpflichtige Person Anteile an Kapitalgesellschaften hält und ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt ins Ausland verlegt. Anfang 2022 wurde diese Besteuerung durch das Gesetz zur Umsetzung der Anti-Steuervermeidungsrichtlinie (ATAD-Umsetzungsgesetz) grundlegend reformiert. Die Studie der Stiftung Familienunternehmen untersucht Anlass, Ablauf der Reform, die neuen gesetzlichen Tatbestände sowie unions- und verfassungsrechtliche Risiken.
Die Analyse zeigt: Die Rechtslage wurde erheblich verschärft. Besonders betroffen sind Gesellschafter von inhabergeleiteten sowie Familienkapitalgesellschaften, da die Reform zu starken Mobilitätseinschränkungen führt. Entscheidend hierfür sind die neuen Ersatztatbestände, der veränderte persönliche Anwendungsbereich („7 aus 12 Jahren“) sowie das neue Stundungs- und Rückkehrkonzept.
Was sind die Kernergebnisse aus der Studie zur Wegzugsbesteuerung in Deutschland?
Die Studie benennt folgende zentrale Befunde der Reform 2022:
- Die Reform basiert auf einem Paradigmenwechsel, weil die frühere Ewigkeitsstundung abgeschafft wurde – obwohl hierfür keine unionsrechtliche Verpflichtung bestand.
- Die Steuerpflicht gilt nun grundsätzlich sofort, unabhängig davon, ob ein Wegzug innerhalb der EU/EWR oder in einen Drittstaat erfolgt.
- Der persönliche Anwendungsbereich wurde erweitert: Die bisherige 10-Jahres-Regelung wurde durch das Kriterium „7 aus 12 Jahren“ ersetzt.
- Die neue Ratenzahlung, die meist eine Sicherheitsleistung vorsieht, und die modifizierte Rückkehrerregelung (max. 12 Jahre) können in der Praxis zu erheblichen finanziellen Belastungen führen.
- Die Reform wirft unionsrechtliche und verfassungsrechtliche Fragen auf, etwa im Hinblick auf Verhältnismäßigkeit, Gleichheitssatz und Ausreisefreiheit.
Warum schießt die Auswanderungssteuer in Deutschland über das Ziel hinaus?
Der Sinn der Wegzugsbesteuerung liegt eigentlich darin, Kapitalflucht zu verhindern. Die Reform schießt aber nach Meinung vieler Experten weit über das Ziel hinaus.
Laut Prof. Dr. iur. Gerhard Kraft, Autor der Studie, wäre sie nicht einmal nötig gewesen. Um sogenannte Umgehungstatbestände zu vermeiden, hätten auch kleine Eingriffe ins bestehende Gesetz genügt, so seine Überzeugung.
Verletzt die Wegzugsbesteuerung das EU-Recht?
Anhand von vier konkreten Beispielen zeigt das Gutachten auf, wie radikal das aktuelle Gesetz in das Schicksal von Familien eingreift – und erläutert, warum es nicht nur gegen höherrangiges Recht der EU, sondern auch gegen Freiheits- und Gleichheitsrechte der deutschen Verfassung verstößt. Die Studie weist auf erhebliche unionsrechtliche und verfassungsrechtliche Risiken der Reform hin.
Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs kann die verpflichtende Sicherheitsleistung unverhältnismäßig sein, da sie kein milderes Mittel gegenüber einer reinen Ratenzahlung darstellt. Auch die Einschränkungen der Rückkehrerregelung erzeugen potenzielle Fallbeileffekte, die mit dem unionsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nur schwer zu vereinbaren sind.
Darüber hinaus bestehen verfassungsrechtliche Bedenken. Diskutiert werden mögliche Verletzungen des Leistungsfähigkeitsprinzips, Eingriffe in die grundrechtlich geschützte Ausreisefreiheit sowie Ungleichbehandlungen zwischen unterschiedlichen Wegzugsfällen. Diese Punkte unterstreichen den rechtlichen Anpassungsbedarf der aktuellen Regelung.
Betroffen sind insbesondere Fälle, in denen Kapitalgesellschaftsanteile verschenkt oder vererbt werden und die Erwerber im Ausland leben – denn auch diese Fälle gelten als Wegzugstatbestände (Ersatztatbestände).
Welche rechtliche Korrektur braucht die Wegzugsbesteuerung von Kapitalgesellschaften?
Die Studie empfiehlt eine Rückkehr zu zentralen Elementen der Rechtslage bis 2021, insbesondere:
- Wiedereinführung der Ewigkeitsstundung für EU- und EWR-Fälle.
- Anwendung der Ewigkeitsstundung auch in DBA-Fällen mit Großer Auskunftsklausel.
- Einsatz milderer Mittel (z. B. Stundung mit Sicherheitsleistung) in DBA-Konstellationen mit Kleiner Auskunftsklausel.
- Schärfere Regeln nur dort, wo keine Auskunftsklauseln existieren.
Die Studie betont, dass eine differenzierte Regelung unions- und verfassungsrechtlich stabiler wäre und gleichzeitig die ökonomische Freiheit von Anteilsinhabern weniger einschränken würde.
„Die aktuelle Regelung der Wegzugsbesteuerung“, so die eindeutige Forderung des Autors, „sollte eher früher als zu spät wieder in einen unionsrechtskonformen, verfassungsrechtlich stabilen Zustand überführt werden.“
Häufige Fragen zum Thema Wegzugsbesteuerung
Wie hoch ist die Wegzugssteuer in Deutschland?
Die Steuer entspricht der Einkommensteuer, die auf den gemäß Gesetz ermittelten Wertzuwachs der Kapitalgesellschaftsanteile anfällt.
Wie lange gibt es die Wegzugssteuer?
Die Wegzugsbesteuerung wurde 1972 in das Außensteuergesetz aufgenommen und 2022 reformiert.
Für wen gilt die Wegzugssteuer?
Für natürliche Personen, die innerhalb der letzten zwölf Jahre mindestens sieben Jahre unbeschränkt steuerpflichtig waren und Anteile an Kapitalgesellschaften halten.
Wer muss keine Wegzugssteuer zahlen?
Eine Steuer entfällt, wenn innerhalb der Rückkehrfrist eine Rückkehr nach Deutschland erfolgt.












