Wünschenswerte Transparenz - und ihre Kehrseite

Wie öffentliches CbCR und Transparenzregister Familienunternehmen belasten

München, den 23. Februar 2021. Wie offen müssen Unternehmen agieren, damit Gewinnverlagerungen, Geldwäsche oder die Finanzierung krimineller und terroristischer Machenschaften verhindert werden können? An dieser Frage scheiden sich die Geister. Zwar besteht Einigkeit in Politik und Wirtschaft, dass entsprechende Regulierungen und Vorgaben sinnvoll sein können. Andererseits schießen Gesetzgeber und Behörden nach Auffassung vieler Unternehmen und Verbände oftmals über das Ziel hinaus – und das gleich in zweierlei Hinsicht.

Zum einen haben die Reportingpflichten auf regionaler wie auf überregionalen Ebenen in den letzten Jahren so zugenommen, dass die Unternehmen an überbordender Bürokratie fast zu ersticken drohen. Zum anderen können gerade aus Sicht von Familienunternehmen übertriebene Offenlegungspflichten zu Wettbewerbsnachteilen und sogar zur persönlichen Gefährdung von Unternehmern bzw. Unternehmerinnen und ihren Familien führen. Die Stiftung Familienunternehmen trägt mit ihren wissenschaftlichen Erhebungen, aber auch mit ihren Netzwerkveranstaltungen dazu bei, hier irrlaufende Entwicklungen zu benennen und einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen

Erfolgreich abgeschwächt: das Transparenzregister

Als gutes Beispiel, wie wichtig das ist, sei das sogenannte Transparenzregister erwähnt. Aufgrund einer EU-Richtlinie aus dem Jahr 2015 in vielen europäischen Ländern eingeführt, sollen die Transparenzregister im Kampf gegen Terrorismusfinanzierung und Geldwäsche helfen. Ziel war es, den tatsächlichen Eigentümer eines Unternehmens identifizierbar zu machen und so zu mehr Transparenz bei komplizierten Eigentümerstrukturen, Firmengeflechten und Finanzflüssen beizutragen.

Gerade für Familienunternehmer hat(te) das aber auch eine unangenehme Kehrseite. 2017 in Deutschland eingeführt, war das Transparenzregister seit Januar 2020 öffentlich einsehbar – für die gesamte Öffentlichkeit. Für Gesellschafter von Familienunternehmen hieß dies, dass Name, Wohnort und Geburtsdatum plötzlich für jedermann auffindbar waren – also auch ihrerseits wieder für kriminelle Machenschaften genutzt werden konnten.

Erst massiver öffentlicher Druck führte zum Umdenken. Ende November 2022 urteilte der EuGH, dass der elektronisch leicht zugängliche Datenabruf für jedermann in solchen Transparenzregistern europäischem Recht widerspreche. Datenschutz und die Achtung des Privatlebens müssen auch für Unternehmer und ihre Familien gelten. Das deutsche Register zog kurzfristig Konsequenzen: Inzwischen dürfen nur noch Personen, die ein berechtigtes Interesse nachweisen können, einen Antrag auf Einsicht ins deutsche Transparenzregister stellen.

Weiterhin hohe Befolgungskosten

Geblieben ist allerdings die Thematik, dass die Befüllung der Register mit hohem Aufwand und hohen Kosten verbunden ist. Wissenschaftlich belegt wird dies im dritten Band einer 2023 veröffentlichten Studienreihe, die sich mit verschiedenen Bürokratielasten beschäftigt, mit denen deutsche Unternehmen zu kämpfen haben. Im dritten Band* geht es um das Transparenzregister. Die empirische Studie, die sich auf eine Vielzahl von Interviews stützt, vergleicht die Länder Deutschland, Frankreich, Italien und Österreich. Erstellt wurde sie von den Centres for European Policy Network und der Prognos AG.

Das Resümee der Forscher ist eindeutig: Sie sehen trotz ähnlicher Anforderungen sehr unterschiedliche Erfüllungsaufwände – und hier Benachteiligungen für deutsche Unternehmen. Sie empfehlen daher, dass Daten in den Mitgliedstaaten für einen automatischen Datenabgleich nur noch einmal erhoben werden sollen (Einmaligkeitsprinzip), nutzerfreundliche digitale Prozesse und mehr Unterstützung und Beratung der Unternehmen durch persönliche Anlaufstellen in den Ländern.

Dazu Prof. Rainer Kirchdörfer, Vorstand der Stiftung Familienunternehmen: „Die Familienunternehmen befüllen das öffentliche Transparenzregister höchst ungern mit ihren persönlichen Daten, da es ihren legitimen Bedürfnissen hinsichtlich persönlicher Sicherheit sowie des Schutzes wettbewerbsrelevanter und personenbezogener Daten nicht mehr gerecht wird. Dass es ihnen dann auch noch erhebliche und dauerhafte Bürokratielasten beschert, ist besonders ärgerlich.“

Country-by-Country Reporting: Ansatz wirksam

Um die Frage, wer Zugang zu sensiblen Daten haben soll, geht es auch bei einem weiteren, im Moment noch aktuelleren Thema: der Verhinderung von Steuerflucht multinationaler Konzerne. Um diese zu verhindern, werden bereits seit 2016 Steuerdaten zwischen den Finanzbehörden ausgetauscht, besser bekannt unter dem Namen Country-by-Country-Reporting (CbCR). Mehr als 100 Staaten weltweit haben sich der BEPS-Initiative der OECD angeschlossen. BEPS steht für Base Erosion and Profit Shifting.

Betroffen sind global agierende Unternehmen mit einem Umsatz von mindestens 750 Millionen Euro. Sie müssen seither gegenüber ihrer Finanzverwaltung unter anderem sämtliche steuerlich relevanten Angaben, wie gezahlte und zurückgestellte Ertragsteuern oder das Jahresergebnis vor Steuern, offenlegen.

Ein wirksames Instrument, wie eine Studie der Stiftung Familienunternehmen zeigt, die am Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) erstellt wurde. Demnach hat der vertrauliche Austausch von Steuerinformationen unter den Finanzbehörden dazu geführt, dass die Effektivsteuersätze um ein bis zwei Prozentpunkte gestiegen sind.

EU-Umsetzung schießt über das Ziel hinaus

Inzwischen geht das Reporting für in der Europäischen Union tätige Unternehmen jedoch noch deutlich weiter. Gemäß einer Initiative von Finnland ist der Ertragsteuerinformationsbericht künftig nicht nur für die Finanzbehörden einsehbar. Künftig kann auch die Öffentlichkeit alle erforderlichen Angaben einsehen, die Art der

Geschäftstätigkeiten, die Anzahl der Arbeitnehmer, die Erträge, das Vorsteuerergebnis, die für den Berichtszeitraum zu zahlende und die im Berichtszeitraum gezahlte Ertragsteuer sowie die einbehaltenen Gewinne. Die Befürworter versprechen sich davon noch mehr Transparenz und dadurch noch mehr Druck auf Unternehmen, auf Steuervermeidungen zu verzichten.

Familienunternehmer berichten jedoch, dass auch diese Offenlegung, die in Deutschland für nach dem 21. Juni 2024 beginnende Geschäftsjahre gilt, für sie besondere Nachteile bringt. Was für Großkonzerne mit großen und diversifizierten Geschäftsbereichen vielleicht kein Problem sein mag, ist es für andere eben doch.

So sind gerade Familienunternehmen oft sehr spezialisiert. Das kann bedeuten, dass nur ein Produkt produziert und verkauft wird, das Unternehmen aber Niederlassungen in 40 Ländern hat. Liegen die Umsätze dann nur knapp über dem Grenzbetrag, geht es in den länderspezifischen Veröffentlichungen um überschaubare Summen. Mit anderen Worten: Die Konkurrenz kann viel daraus ablesen.

Oder ein Zulieferbetrieb folgt seinem Auftraggeber in dessen Land. Muss er dann seine Gewinnmarge veröffentlichen, kann auch dies gravierende Folgen haben. Ist sie zu hoch, sucht sich der Auftraggeber vielleicht einen anderen Betrieb, ist sie zu gering, befürchtet er vielleicht wirtschaftliche Probleme.

Die Stiftung Familienunternehmen warnte schon 2019, dass Veröffentlichungen im Internet Wettbewerber in die Lage versetzt, Geschäftsmodelle zu kopieren. Zudem werden Familienunternehmen gegenüber Großkunden, die ihre finanzielle Lage kennen, transparent und damit empfindlich im Wettbewerb geschwächt.

Zudem prophezeite das Autorenteam der CbCR-Studie: Die mit einem öffentlichen Reporting verbundenen Kosten der Unternehmen werden den allgemeinen Nutzen wohl übersteigen. Wobei es dabei weniger um die direkten Kosten geht als vielmehr um „die möglichen impliziten Kosten aus Wettbewerbsverzerrungen und Standortnachteilen, die insbesondere größere Familienunternehmen treffen werden“.

Darüber hinaus machen sie zum einen darauf aufmerksam, dass das tatsächliche Ausmaß an Gewinnverlagerung nach wie vor höchst umstritten ist. Zum anderen weisen sie darauf hin, dass eine Einschränkung der Gewinnverlagerungsmöglichkeiten auch eine merkliche Verringerung realer Investitionen in einigen Industrieländern zur Folge haben könnte.

Die Stiftung Familienunternehmen wird das Thema auch weiterhin wissenschaftlich begleiten.

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