
Der Wissenschaftliche Beirat der Stiftung Familienunternehmen warnt davor, die Konjunktur-, Finanzmarkt- und Wettbewerbspolitik mit umweltpolitischen Zielen zu überfrachten. „Der Schutz des Klimas ist die größte Aufgabe unserer Generation. Es ist aber nicht sinnvoll, alle Bereiche der Wirtschaftspolitik auf Umweltziele auszurichten“, stellt das Gremium fest. „Wenn alle Bereiche dem Klimaschutz untergeordnet werden, dann fördert das staatliche Planwirtschaft, Kleinteiligkeit und Fehlsteuerung.“ In der Konjunkturpolitik seien Instrumente gefragt, die schnell, zielgenau und zeitlich begrenzt wirkten. In der Umwelt- und Klimapolitik gehe es dagegen um dauerhafte und langfristige Veränderungen.
Die Wissenschaftler äußerten sich anlässlich der Präsentation des „Jahreshefts des Wissenschaftlichen Beirats der Stiftung Familienunternehmen“. Darin analyiseren sie das von der Bundesregierung Deutschland sowie der Europäischen Union verfolgte Ziel, mit Klimaschutzprojekten den wirtschaftlichen Aufschwung nach der Corona-Pandemie zu befeuern. Sie bewerten aber auch Forderungen nach einer „grünen“ Investitions-, Wettbewerbs-, Währungs- und Finanzpolitik („Green Finance“). Mit dem europäischen Investitionsprogramm Green Deal sowie europäischen und nationalen Konjunkturprogrammen soll der ökologische Umbau der Wirtschaft vorangetrieben werden.
Aus Sicht des Beirats sind marktwirtschaftliche Instrumente zur Erreichung von Klimazielen den staatlichen Lenkungseingriffen vorzuziehen. „Das Weltklima werden wir nur mit einer leistungsfähigen sozialen Marktwirtschaft und modernen Technologien schützen“, sagt Prof. Rainer Kirchdörfer, Vorstand der Stiftung Familienunternehmen. „Die Familienunternehmen in Deutschland sind bei der Entwicklung und Anwendung grüner Technologien führend. Sie brauchen keine staatlichen Zuwendungen oder Programme, sondern gute und verlässliche Rahmenbedingungen sowie Planungssicherheit.“
Der Beirat spricht sich deswegen für eine verlässliche Bepreisung von CO2-Emissionen als wirksamstes Klimaschutzinstrument aus. Das Instrument sollte an die Stelle der vielen regulativen Klimamaßnahmen treten. „Die CO2-Bepreisung verfügt marktwirtschaftlich über einen Vorsprung vor anderen Lenkungsinstrumenten“, so das Gremium. „Eine umfassende und langfristig festgesetzte Bepreisung von Treibhausgasemissionen sollte das klimapolitische Leitinstrument sein.“
Vor den negativen Wirkungen von „Green Finance“ warnt Prof. Dr. Dr. h.c. Clemens Fuest, Präsident des ifo Instituts, in seinem Beitrag für das Jahresheft. Es verzerre den Markt, wenn die Finanzmarktregulierung oder die Geldpolitik künftig Kapitalströme in „grüne“ Projekte lenke. Es werde zudem ein Wettstreit der Lobbyisten darum befördert, welche Branchen fortan als „grün“ klassifiziert werden.
Kleinteilige Eingriffe in die Industrie- und Finanzpolitik hemmten die Effektivität der Klimamaßnahmen und schadeten der Wirtschaft, analysiert Prof. Gabriel Felbermayr, PhD, Chef des Instituts für Weltwirtschaft in Kiel. Felbermayr kritisiert beispielsweise Kaufprämien für Elektroautos und Mehrwertsteuersenkungen auf Bahnfahrten. Es müsse dem Markt überlassen werden, die jeweils besten Technologien zur Emissionsminderung voranzutreiben.
Der frühere Verfassungsrichter Prof. Dr. Dr. Udo Di Fabio ruft dazu auf, bei der Bewältigung des Klimawandels den Prinzipien der sozialen Marktwirtschaft zu folgen. „Dem Klima und der ökologischen Nachhaltigkeit ist nicht gedient, wenn die Substanz von Wirtschaftsgrundrechten und damit auch die Leistungsfähigkeit einer offenen sozialen Marktwirtschaft ausgehöhlt werden“, schreibt er. Er sieht Gefahren darin, wenn Unternehmen „in einem bisher unbekannten Maß von öffentlichen Fördergeldern abhängig gemacht“ würden.
Prof. Dr. Kay Windthorst, Direktor der Forschungsstelle für Familienunternehmen der Universität Bayreuth, sieht in der Nachhaltigkeitsdebatte eine besondere Chance für Familienunternehmen, da Aspekte der Nachhaltigkeit für sie seit jeher eine wichtige Rolle spielen. Er regt an, die nächste Generation in der Unternehmerfamilie (NextGen) intensiv in die Nachhaltigkeitsstrategie des Familienunternehmens einzubeziehen, um die Unternehmensstrategie und den Zusammenhalt in der Familie zu stärken.
Der Wissenschaftliche Beirat überwacht die wissenschaftliche Arbeit der Stiftung Familienunternehmen und gibt Impulse. Dem beratenden Gremium gehören die Ökonomen Prof. Gabriel Felbermayr, Ph.D, Prof. Dr. Dr. h.c. Clemens Fuest und Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Hans-Werner Sinn sowie die Rechtwissenschaftler Prof. Dr. Dr. Udo Di Fabio, Prof. Dr. Kay Windhorst sowie Prof. Dr. Tina Ehrke-Rabel an. Vorsitzender des Beirats ist Prof. Rainer Kirchdörfer, Vorstand der Stiftung Familienunternehmen.