Kulturelle Ursachen der Überbürokratisierung

Herausgeber
Stiftung Familienunternehmen
Veröffentlichung
München, 2025
Institut
Technische Universität Darmstadt
Autoren
Prof. Dr. Behnke Nathalie, Bernhard Jonas
Isbn
978-3-948850-59-3

Die vorliegende Studie untersucht die in Deutschland vorherrschenden sozio-kulturellen Ursachen für Bürokratie und Überbürokratisierung und kommt unter anderem zu dem Ergebnis:

Dort, wo es Spielräume bei Entscheidungen gibt, nutzt die Verwaltung sie nur sehr vorsichtig und zurückhaltend. Beim Entwurf neuer Vorschriften achten die Verantwortlichen zu wenig auf deren praktische Umsetzbarkeit.

Die Studie richtet den Fokus auf die Mentalität von Mitarbeitern in der deutschen Verwaltung und Politik. Sie untersucht, inwiefern diese Haltung ein zentraler Schlüssel für den Abbau von Bürokratie ist – und welcher kulturelle Wandel in Behörden und Ministerien dafür notwendig wäre.

Am Beispiel des Baurechts und des Baugenehmigungsverfahrens zeigt die Studie auf, wie stark bürokratische Hürden und strukturelle Schwächen insbesondere im Bauwesen zum Tragen kommen.

Bürokratie: Verwaltung nutzt Ermessensspielräume oft nicht aus

Die Kultur deutscher Behörden und Verwaltungen ist stark von der Gesetzgebungstradition geprägt. Rechtssicherheit und Rechtsstaatlichkeit bestimmen das Handeln. Gleichzeitig zeigt sich eine ausgeprägte Orientierung am Servicegedanken.

Wo bestehende Gesetze und Regeln Handlungsspielräume zulassen, werden sie in den Behörden und von der Verwaltung restriktiv und risikoscheu ausgelegt. Und schon bei der Formulierung von Regelungsentwürfen legen etwa Ministerien mehr Wert auf juristische Perfektion als auf Praxisbezug und Vollzugsorientierung.

Hier wird eine Tabelle mit zwei Spalten dargestellt. Es geht um die Typen und Kennzeichen der Kultur und Mentalität in der Verwaltung. In der linken Spalte sind die typischen Kennzeichen der kontinentaleuropäischen Rechtsstaatskultur gelistet. In der rechten Spalte die der angelsächsischen public-interest-Kultur.

Ursache für Deutschlands Überbürokratisierung

Ein Blick die kontinentaleuropäische Rechtsstaatskultur und die angelsächsischer Public-Interest-Kultur untermauert folgende Grundannahme: Die hiesige Verwaltungskultur ist eine entscheidende Ursache für Deutschlands Überbürokratisierung.

Deutschlands Gesetzgeber und Normanwender sind kulturell so geprägt, dass sie bürokratische und potenziell dysfunktionale Formen der Regulierung einer pragmatischeren und besser umsetzbaren Form von Regeln und Gesetzen vorziehen.

Bürokratieabbau: Mentalitätswandel in Ministerien und der Verwaltung nötig

Die Studienautoren leiten aus ihrer Analyse ab, wie ein Bürokratieabbau in Deutschland gelingen kann:

  • Deutschlands Verwaltung muss sich auf einen echten Kulturwandel einlassen: Weg von einer Kultur der Absicherung, hin zu einer Kultur des Ermöglichens.

  • Ein Kulturwandel hin zu mehr Eigenverantwortung, Pragmatismus und Ergebnisorientierung ist möglich.

Voraussetzung dafür ist, dass:

  • eine Behördenleitung Verantwortung für ihre Mitarbeiter übernimmt

  • eine Behördenleitung den Mitarbeitern den Rücken stärkt

  • in der Behörde eine konstruktive Fehlerkultur herrscht

  • Mitarbeiter keine Angst vor eigenständigem Handeln und möglichen Konsequenzen haben.

  • Mitarbeiter sich am Zweck der Regelung orientieren.

Was der Staat für eine Entbürokratisierung tun muss

Die Autoren der Studie unterbreiten zudem Vorschläge, was der Staat tun kann, um Bürokratie wirksam abzubauen.

  • Der Staat sollte wieder mehr auf die Eigenverantwortung seiner Bürger setzen und nicht jedes individuelle Risiko und Bedürfnis mit immer neuen Vorschriften und Regeln absichern. Nur so kann in Deutschland eine Gesetzgebung entstehen, die sich an Minimal- statt an Maximalstandards orientiert. Zudem muss Misstrauen durch Zutrauen und Kontrolle durch Eigenverantwortung ersetzt werden.

  • Individuelle Einzelrisiken und Bedürfnisse der Bevölkerung nach umfangreichen Schutzregeln sollten vom Staat nicht als Aufforderung zur fortlaufenden Schaffung neuer Regeln und Gesetze verstanden werden. Der Gesetzgeber sollte sich hier nicht unter Druck setzen lassen, solchen Anforderungen nachzugeben. Stattdessen sollte er die Menge, Detailliertheit und Komplexität bestehender Grundlagen reduzieren.

  • In der Folge sollte der Staat einen gewissen Spielraum in der Auslegung von Gesetzen in Kauf nehmen, auch wenn damit ein höheres Maß an Missbrauch von Gesetzen möglich ist. Die Kosten dafür sind geringer als die Kosten der Überbürokratisierung.

  • Neue Gesetze sollten unbedingt auf ihre Praxistauglichkeit und ihren Pragmatismus hin geprüft werden, schreiben die Autoren.

  • Hinsichtlich der Menge an Regeln sollte das „one-in-one-out”-Prinzip konsequent angewandt werden und jede Regel mit einem Ablaufdatum und einer Evaluationsklausel versehen werden.

Datum
28.7.2025, München

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