Aktuelle Rechtslage
Der von der OECD initiierte BEPS-Prozess zielt darauf ab, Gewinnverlagerungspraktiken von Unternehmen zu bekämpfen. Zu den Maßnahmen zählen auch Kontrollen firmeninterner Verrechnungspreise. Diese Verrechnungspreise entstehen bei grenzüberschreitenden Käufen und Verkäufen zwischen den verschiedenen Niederlassungen und Tochterunternehmen einer Gesellschaft.
Untersuchungen der Stiftung Familienunternehmen haben allerdings ergeben, dass Familienunternehmen nicht im nötigen Umfang verbindliche Auskünfte von den deutschen Finanzbehörden zu den Verrechnungspreisen erhalten. Vor allem große und international tätige Familienunternehmen sind deswegen anhaltender und zumindest teilweise vermeidbarer Rechtsunsicherheit ausgesetzt.
Der BEPS-Aktionsplan der OECD befasst sich in mehreren seiner Aktionspunkte mit Verrechnungspreisen, die bei internen grenzüberschreitenden Käufen und Verkäufen zwischen Niederlassungen und Tochterunternehmungen multinationaler Unternehmen entstehen. Im deutschen Recht ist die Berichtspflicht dazu im § 90 AO geregelt. Sie wird durch weitere Vorschriften der Abgabenordnung – so auch zu Sanktionen bei mangelnder Erfüllung der Berichtspflicht – flankiert.
International agierende Familienunternehmen sind durch unvermeidliche Unschärfen im Umgang mit Verrechnungspreisen erhöhter Rechtsunsicherheit bei Kontrollen firmeninterner Verrechnungspreise ausgesetzt. Kommen die beteiligten Finanzverwaltungen zu unterschiedlichen Auffassungen, besteht die Gefahr, denselben Gewinn in zwei Staaten, also doppelt versteuern zu müssen. Vielfach kommt es zu langwierigen Verrechnungspreisverfahren, die beträchtliche personelle Ressourcen binden.
Das deutsche Steuerverfahrensrecht ist in den letzten Jahren stärker auf internationale Zusammenarbeit ausgerichtet worden. Die Stiftung Familienunternehmen setzt sich dafür ein, dass die Bundesrepublik Deutschland die bestehenden Möglichkeiten nutzt, um die bei Verrechnungspreisen immer bestehenden Unsicherheiten möglichst früh zu adressieren und zu minimieren. Die mit Förderung der Stiftung Familienunternehmen entwickelten Studien der Professoren Andreas Oestreicher (Göttingen) und Ekkehart Reimer (Heidelberg) stellen den Optimierungsbedarf heraus und geben anhand von Experteninterviews praktische Lösungsvorschläge.
Bereits in der Studie „Internationale Verrechnungspreise – Herausforderungen und Lösungen für Familienunternehmen“ von 2015 befragten die Wissenschaftler 100 Familienunternehmen zum Thema Verrechnungspreise Danach besitzen Verrechnungspreise für 61 Prozent der befragten großen Familienunternehmen eine hohe oder sehr hohe steuerpolitische Relevanz. Denn in fast jedem zweiten Fall wird zum Beispiel die Anwendung der Verrechnungspreismethode in der Betriebsprüfung korrigiert. Im Zusammenhang mit einer Beanstandung kommt es in 65 Prozent der Fälle nachträglich zu einer Anpassung der Verrechnungspreise. Die Datenauswertung ergibt, dass das korrigierte Einkommen in 56 Prozent aller Beanstandungen doppelt besteuert wird.
Unsere aktuellste Studie „Straffung und Stärkung der Verrechnungspreisverfahren“ von 2022 zeigt, dass die Bundesrepublik mit ihrer Praxis rund um Verrechnungspreisverfahren noch weiter verbessern kann. Verbindliche Vorabauskünfte finden noch zu wenig statt, Verfahrensdauern sind zu lang und das Klima zwischen geprüften Unternehmen und prüfender Steuerbehörde ist bisweilen angespannt. Das zeigen die Interviews mit Experten aus der Finanzverwaltung, aus Unternehmen und der Beratung.
Die Autoren der Studien zeigen eine Reihe von Lösungsmöglichkeiten auf, um die Konflikte über Verrechnungspreise zu entschärfen: Die Finanzverwaltungen von Bund und Ländern sollten verstärkt verbindliche Auskünfte und Zusagen in Verrechnungspreisfragen erteilen, wie es nach dem Verfahrensrecht bereits heute möglich wäre und wie es zahlreiche andere Staaten auch praktizieren. Als Königsweg schlagen sie bi- und noch besser multilaterale Vorabverständigungsverfahren (sogenannte Advance Pricing Agreements, auch APA genannt) vor. Hier befinde sich Deutschland mit seiner Praxis im internationalen Vergleich klar im Rückstand. Auch gemeinsame Betriebsprüfungen durch die Finanzverwaltungen verschiedener Staaten, sogenannte Joint Audits, sollten zur Vermeidung von Verrechnungspreisstreitigkeiten verstärkt genutzt werden. Zur Verbesserung des bisweilen angespannten Klimas zwischen Steuerbehörde und Unternehmen wird der Einsatz einer steuerlichen Ombudsperson vorgeschlagen. Und schließlich zeigen die Ergebnisse der Untersuchungen auch, dass es nicht genug Ressourcen an der richtigen Stelle gibt. Konkret werden daher eine Aufstockung und Verschiebung von Ressourcen der Finanzverwaltung genannt. Dies sei auch erforderlich, um Prüfungszeiträume näher an die Gegenwart heranzuführen und deutlich zu kürzen.
Insgesamt verdeutlichen die empirischen Studien, dass es dringend notwendig wäre, das Verrechnungspreisverfahren in Deutschland für alle Beteiligten – sowohl Finanzbehörden als auch Unternehmen – zu optimieren.
Studie: „Internationale Verrechnungspreise – Herausforderungen und Lösungen für Familienunternehmen“
Gastbeitrag von Prof. Rainer Kirchdörfer im "Unternehmermagazin": „Probleme und Lösungen - Verrechnungspreise in Familienunternehmen"
Artikel aus der "Stuttgarter Zeitung" mit Trumpf-Vorständen: „Steuerschlupflöcher: Die Furcht vor der Sippenhaft geht um"