Deutschland ohne Familienunternehmen unvorstellbar

Stiftungsvorstand Prof. Rainer Kirchdörfer
Professor Rainer Kirchdörfer / © Stiftung Familienunternehmen / Marco Urban

München, den 28. Februar 2024. Die Vielfalt der Familienunternehmen ist Deutschlands Stärke. Als Jobmotoren und Innovationstreiber sind diese Unternehmen entscheidend für den Standort. So Professor Rainer Kirchdörfer, Vorstand der Stiftung Familienunternehmen, im Interview mit der Website-Redaktion. Er spricht auch darüber, wie Familienunternehmen ihn geprägt haben und was ihn an ihnen fasziniert.

Was genau ist der Unterschied zwischen Familienunternehmen und Nichtfamilienunternehmen?

Wie schon der Name sagt, bilden Familienunternehmen in ihrem Selbstverständnis eine Schnittmenge der Werte von Familie und Unternehmen. Dies wirkt sich auch in der Unternehmensstrategie aus. Bei Familienunternehmen geht es nicht um kurzfristige Erfolge, sondern für sie sind Stabilität und Nachhaltigkeit entscheidend. Das Lebenswerk von Generationen soll schließlich innerhalb der Familie weitergegeben werden. Zudem sind Familienunternehmen oft stark mit ihrer Region verwurzelt. Sie tragen schon deshalb, vor allem auch im ländlichen Raum, ganz wesentlich zu Beschäftigung und Wohlstand bei. Ob Bruttoinlandsprodukt pro Kopf, Kaufkraft, Produktivität, gemeindliche Steuerkraft und Ausbildungsquote – bei allen Indikatoren sind die Regionen umso erfolgreicher, je höher ihr Anteil an Familienunternehmen ist.

Warum engagieren Sie sich für Familienunternehmen?

Ich selbst stamme aus einem sehr kleinen Familienunternehmen. Dies hat mich aber geprägt. Seit nunmehr 35 Jahren bin ich für große Familienunternehmen tätig und gehöre einer Vielzahl von Aufsichtsräten und Beiräten an. Darüber hinaus beschäftige ich mich seit langem auch wissenschaftlich mit Familienunternehmen. Dieser Unternehmenstypus hat mich von Anfang an fasziniert, denn hier finden wir echtes Unternehmertum und auf ihm beruht maßgeblich unser Wohlstand. Schon daher ist es essentiell, dafür zu sorgen, dass diese Unternehmensform im globalen Wettbewerb nicht benachteiligt wird und auch in Deutschland gute Rahmenbedingungen vorfindet. Dafür lohnt es unser aller Einsatz.

Wie sind die Standortbedingungen in Deutschland gerade für die Hidden Champions?

Mehr als 60 Prozent der deutschen Familienunternehmer bewerten den Standort Deutschland mit der Note 4 oder schlechter. Das zeigt eine Umfrage unter 1200 Familienunternehmen vom Oktober 2023. Die Daten wurden im Auftrag der Stiftung Familienunternehmen vom ifo-Institut erhoben. Als wichtigste Gründe nennen die Unternehmen die Regulierungsdichte, die Energiepreise und den Fachkräftemangel. Dann folgen Arbeitskosten und Steuern. Ihre Beispiele zeigen, dass der Standort Deutschland dramatisch an Wettbewerbsfähigkeit verliert. Dies entspricht auch meinen eigenen Erfahrungen in Beiräten und Aufsichtsräten.

Wer hat da Fehler gemacht?

Die Tatsache, dass wir zwischenzeitlich schon wieder zum kranken Mann Europas werden, ist natürlich nicht von heute auf morgen entstanden. Dies hat auch nicht nur einen politischen Hintergrund. Die Stiftung Familienunternehmen gibt seit 2006 alle zwei Jahre das Standortbarometer Länderindex Familienunternehmen heraus, welcher mit wissenschaftlichen Methoden die Rahmenbedingungen für Familienunternehmen in einer Vielzahl von Industrienationen vergleicht. Hieraus erkennen wir, dass sich die Standortbedingungen in Deutschland seit Jahren stetig verschlechtern. Wer die Augen nicht verschließt, dem ist klar, dass entschiedenes und schnelles Handeln gefragt ist. Bürokratie müsste in ganz wesentlichem Maße abgebaut werden und die Unternehmenssteuern müssten an das deutlich geringere internationale Niveau angepasst werden. Schon ein Blick auf die Körperschaftsteuer zeigt, das Deutschland unter den Industrieländern mit die höchste Belastung aufweist.

Hat Deutschland mit seinen Familienunternehmen als Standort eine besondere Stärke, die herausragend ist?

Deutschland besticht insbesondere durch die gute Durchmischung von kleinen Handwerksbetrieben, mittelgroßen Familienbetrieben und auch sehr großen Familiengesellschaften. Die in den USA ausgeprägte Orientierung der großen Familienunternehmen an den Kapitalmärkten ist hierzulande weniger ausgeprägt. Dies ist mit ein Grund, warum selbst sehr große Familienunternehmen nicht in Quartalen, sondern in Generationen denken. Ich denke in der Tat, dass Deutschland mit seiner Vielzahl an mittleren und großen Familienunternehmen, die eng mit globalen Konzernen zusammenarbeiten, besondere Qualitäten aufweist. Viele Untersuchungen der Stiftung Familienunternehmen belegen, dass der Standort Deutschland gerade auch durch seine Familienunternehmen eine besondere Stärke und Stabilität hat.

Was wäre Deutschland ohne Familienunternehmen?

Deutschland ohne Familienunternehmen ist für mich nicht vorstellbar. Dazu haben gerade Familienunternehmen in zu vielen Bereichen die Nase vorn: So sind Familienunternehmen nicht nur die Job-Motoren der Nation, sie sind auch Innovationstreiber. Selbst während der Corona-Krise, in der die Nicht-Familienkontrollierten Konzerne im DAX Beschäftigte abbauten, stellten die 500 größten deutschen Familienunternehmen weiterhin ein.

Wenn Sie heute für den Erhalt und die Förderung von Familienunternehmen einen Plan entwerfen würden, wie würde der aussehen?

Zunächst geht es um den schnellen Abbau von Bürokratie, um die Senkung der Energiekosten, um Unterstützung bei der Gewinnung ausländischer Fachkräfte, um die Senkung der Arbeitskosten und den Abschluss von internationalen Handelsabkommen. Außerdem brauchen wir wettbewerbsfähigere Unternehmenssteuern, eine bessere Bildungspolitik, natürlich mehr Digitalisierung und die Verbesserung der Infrastruktur. Und nicht zuletzt geht es natürlich darum, die Nachfolge in Familienunternehmen attraktiv zu halten.

Datum
22.2.2024, München

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