Familienunternehmen in Ostdeutschland

 

Ausstellung Verdrängung, Enteignung, Neuanfang
Geschichte der Familienunternehmen in Ostdeutschland und der DDR
Aktuelle Bedeutung der Familienunternehmen in Ostdeutschland
Material zum Thema Familienunternehmen in Ostdeutschland

 

Familienunternehmen haben eine lange Tradition in Ostdeutschland. In Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen und Berlin waren vor dem zweiten Weltkrieg zahlreiche bekannte Familienunternehmen ansässig. Viele davon wurden zwischen 1945 und 1989 enteignet oder zum Wegzug gedrängt. Nach dem Fall der Berliner Mauer wurde vielfach versucht, an die Tradition anzuknüpfen. Mittlerweile prägen Familienunternehmen wieder die Unternehmenslandschaft in Ostdeutschland.

Verdrängung, Enteignung, Neuanfang: Familienunternehmen in Ostdeutschland von 1945 bis heute

Beim Klick auf dieses Video wird eine Verbindung zum Youtube-Server hergestellt und eventuell Daten übertragen.

Ausstellung Verdrängung, Enteignung, Neuanfang:
Familienunternehmen in Ostdeutschland von 1945 bis heute

Eine Ausstellung beleuchtet die wechselvolle Geschichte der Familienunternehmen in Ostdeutschland seit 1945. In einer ersten Fassung, deren Schwerpunkt auf der „Verdrängung“ und „Enteignung“ lag, wurde sie im Herbst 2020 anlässlich des 30. Jahrestags der deutschen Wiedervereinigung im Berliner Haus des Familienunternehmens gezeigt. 2022 wurde die Ausstellung anhand aktueller Forschungsergebnisse neu konzipiert und der Schwerpunkt stärker auf den „Neuanfang“ nach der Wende gelegt. Die Ausstellung war in dieser erweiterten Fassung im Juni 2022 erstmals im Deutschen Bundestag zu sehen. Aus diesem Grund wurde auch die Rolle von Volkskammer und Bundestag zur Wendezeit besonders beleuchtet.



(Quelle und Copyright: Deutscher Bundestag)

 

Zum Video zur Ausstellung im Bundestag

 

Die Ausstellung basiert unter anderem auf zwei Studien, die die Geschichte sowie die Bedeutung der Familienunternehmen in den neuen Bundesländern umfassend untersuchen. Die Studie „Industrielle Familienunternehmen in Ostdeutschland“ zeichnet die Entwicklung in Ostdeutschland von der Kaiserzeit über den Sozialismus bis heute nach. Die Studie „Die Entwicklung der Familienunternehmen in den neuen Bundesländern“ analysiert die volkswirtschaftliche Bedeutung in den neuen Bundesländern. In die Ausstellung sind ferner die neuesten Forschungsarbeiten des Berliner Wirtschaftshistorikers Dr. Rainer Karlsch eingeflossen. Ein Teil der Ausstellung ist auch virtuell im Internet zu besichtigen.

Zur virtuellen Ausstellung

 

Geschichte der Familienunternehmen in Ostdeutschland und der DDR

Krieg und DDR-Sozialismus haben der Wirtschaft sowie der Unternehmenslandschaft im Osten nachhaltigen Schaden zugefügt. Durch Abwanderungen von Betrieben aus dem Osten nach Westdeutschland bzw. in die Bundesrepublik Deutschland sowie durch Enteignung und Betriebsaufgaben gingen viele Firmen verloren. Der Schaden für Wirtschaft und Gesellschaft war enorm.

Eine im Auftrag der Stiftung Familienunternehmen von den Historikern Dr. Rainer Karlsch (IfZ – Institut für Zeitgeschichte München-Berlin) und Dr. Michael Schäfer (TU Dresden) verfasste Studie zeigt auf, wie eine einst an starken Familienunternehmen reiche Landschaft durch Krieg, Besatzung und Sozialismus Schaden nahm, nach dem Sturz der SED aber wieder zum Motor für Wachstum und Beschäftigung wurde.

Die Studie analysiert die unheilvolle Dynamik der sozialistischen Planwirtschaft in der DDR. Die Eingriffe in die Wirtschaft und das Privateigentum durch das DDR-Regime wurden immer schwerwiegender. Unternehmer in der DDR wurden von der SED zunächst systematisch schlechtergestellt, etwa durch hohe Steuern („Kapitalistentarife“), die höhere Leistung unrentabel machten. In der Studie ist von einem „Steuerkrieg“ gegen Familienbetriebe die Rede. Die knappen Produktionsmittel teilte die SED in der DDR vor allem Staatsbetrieben zu.

Enteignungen im sozialistischen System der DDR

1972 folgte der finale Schlag der SED-Führung gegen den verbliebenen Mittelstand. Die Partei beschloss die Verstaatlichung von mehr als 11.800 Unternehmen. Unternehmertum konnte sich danach nur noch im Handwerk, Einzelhandel und in der Gastronomie halten. Zwischen 1971 und 1989 sank – politisch von der Partei gewollt – der Anteil der privaten Wirtschaft am Nettoprodukt der DDR von 15 auf vier Prozent.
 

Viele Unternehmer zeigten dennoch ein enormes Beharrungsvermögen auch in Zeiten des Sozialismus und des Kalten Kriegs. Mit Engagement und Kreativität gelang es ihnen, den Erhalt des Unternehmens über einen langen Zeitraum trotz der wirtschaftlichen und politischen Eingriffe der DDR-Führung zu sichern. Viele Unternehmer arbeiteten während dieser Zeit als VEB-Betriebsleiter im enteigneten Betrieb weiter.

Nach der Wende knüpften viele Unternehmer an die Zeit vor dem Sozialismus an und belebten ihre Betriebe neu. Das zeugt von einem unerschütterlichen Vertrauen der ostdeutschen Familienunternehmer in die eigenen Fähigkeiten und einem außergewöhnlichen, über mehrere Generationen weitergegebenen Selbstbehauptungs- und Gestaltungswillen.

 

Familienunternehmen in Ostdeutschland

Beim Klick auf dieses Video wird eine Verbindung zum Youtube-Server hergestellt und eventuell Daten übertragen.
30 Jahre nach dem Mauerfall gleicht sich die Unternehmenslandschaft im Osten zunehmend der Situation in den alten Bundesländern an. Laut der Studie vom ZEW stieg der Anteil großer Familienunternehmen am Gesamtbestand der ostdeutschen Familienunternehmen. Fast alle befinden sich inzwischen auch im Besitz ostdeutscher Familien.

 

Viele Familienunternehmen knüpften an ihre Wurzeln an

Einige Familienbetriebe, die nach dem Zweiten Weltkrieg ihren Sitz von Ost nach West verlegten, kehrten nach der Zeit des Sozialismus an ihre Gründungsstandorte zurück. Sie unterhalten heute Niederlassungen in den neuen Bundesländern, einige haben sogar ihren Firmensitz in den Osten verlagert.

Die Motive der Rückkehrer waren selten nur rein wirtschaftlicher Natur. Ebenso wichtig waren emotionale Gründe und der Wille, einen Beitrag für den „Aufbau Ost“ und für die Gesellschaft zu leisten. Ein in den 1990er Jahren häufig gewählter Weg waren Privatisierungen über Management Buy-outs beziehungsweise Buy-ins. Oftmals taten sich Ostdeutsche und Westdeutsche mit diesem Ziel zusammen.

Die Unternehmenslandschaft der ostdeutschen Wirtschaft hat sich durch viele Neugründungen im Zuge des „Aufbau Ost“ stark verändert. Vor allem dank der Investitionen familiengeführter mittelständischer Unternehmen sind neue Wachstumskerne und Cluster entstanden. Beispiele für diesen „Aufbau Ost“ lassen sich in allen ostdeutschen Bundesländern finden.

Familienunternehmer erzählen in vier kurzen Video-Episoden über ihre Erinnerungen und Erfahrungen in der DDR-Zeit, der Wende-Zeit und danach.

 

Eine Auswertung von mehr als 4.500 Betrieben zeigt, dass ostdeutsche Familienbetriebe in vielen Branchen wieder starke Positionen einnehmen. In der Produktion von Glas, Papier, Folien und Süßwaren zählen sie zur Spitze in Europa. Eine Wiederbelebung gelang auch in der Herstellung von Musikinstrumenten, Uhren, Spielzeug und Brillen. Auch die ostdeutsche Bauwirtschaft hat sich positiv entwickelt. Große Teile des Maschinenbaus, der Konsumgüterindustrie und der Elektrotechnik/Elektronik mussten hingegen Einschnitte hinnehmen.

„Die allmähliche Reindustrialisierung der ostdeutschen Wirtschaft wird heute in Summe wieder überwiegend von mittelständischen Familienunternehmen getragen und wirkt positiv auf die Entwicklung des Arbeitsmarktes“, schreiben die Autoren zusammenfassend. Auch die Bundesregierung würdigt diese Leistung in ihrem Jahresbericht zum Stand der Deutschen Einheit.

„40 Jahre Sozialismus haben ihre Spuren hinterlassen. Doch dass heute wieder 92 Prozent aller Unternehmen in den neuen Bundesländern Familienunternehmen sind, zeugt von einer enormen Schaffenskraft. Sie sind Teil unserer gesellschaftlichen und kulturellen DNA – und zwar in allen Teilen Deutschlands.“
Stefan Heidbreder,
Geschäftsführer der Stiftung Familienunternehmen

 

Aktuelle Bedeutung der Familienunternehmen in Ostdeutschland

Mehr als 30 Jahre nach Fall der Berliner Mauer und der Deutschen Einheit lässt sich eine positive Bilanz ziehen: In Ostdeutschland gibt es nicht nur eine lebendige Landschaft an Familienunternehmen. Die Unternehmenslandschaft in den neuen Bundesländern gleicht sich seit dem Ende des Sozialismus der in den alten Bundesländern an. Das zeigt eine Studie der Stiftung Familienunternehmen, die vom ZEW – Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung erstellt wurde.

92 Prozent der Unternehmen im Osten Deutschlands sind Familienunternehmen – damit liegt der Anteil höher als im Westen (88 Prozent). Die Bundesländer mit den höchsten Anteilen sind Thüringen (mit 93 Prozent), Sachsen-Anhalt, Sachsen, Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz und Brandenburg (jeweils 92 Prozent).

Der Studie zufolge stieg insbesondere der Anteil großer Familienunternehmen am Gesamtbestand. Der Prozentsatz der Unternehmen an der Wirtschaft mit mehr als 500 Mitarbeitern in den neuen Bundesländern wuchs zwischen 1993 und 2017 von sieben auf 25 Prozent an – und erreichte damit fast denselben Wert wie in Westdeutschland.
 

Anteil eigentümergeführte Familienunternehmen in den neuen Bundesländern (ohne Berlin) und Westdeutschland, nach Beschäftigungsgrößenklassen

Anteil eigentümergeführte Familienunternehmen in den neuen Bundesländern (ohne Berlin) und Westdeutschland, nach Beschäftigtengrößenklassen

Die Studie zeigt auch, dass sich die Familienunternehmen in den neuen Bundesländern zunehmend in den Händen von Ostdeutschen befinden. Der Anteil familienkontrollierter Unternehmen, die ausschließlich Eigentümer aus dem Westen hatten, ging zwischen 2001 und 2017 deutlich zurück. Im Jahr 2001 war noch knapp ein Drittel der Familienunternehmen mit mindestens 250 Mitarbeitern ausschließlich in westdeutscher Hand. 2017 war es nur noch ein Zehntel.