Familienunternehmen in ländlichen Räumen

Familienunternehmen sind ein entscheidender Faktor für die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse in Stadt und Land. In ländlichen Regionen und Kommunen, in denen es viele Familienunternehmen gibt, nimmt die Einwohnerzahl zu; die Abwanderung von jungen Menschen ist geringer. Diese Regionen weisen außerdem einen höheren Wohlstand auf, haben höhere Ausbildungsquoten, niedrigere Arbeitslosenzahlen und sie sind innovativer.

Das ist das Ergebnis der ersten wissenschaftlichen Studie, die den Beitrag von Familienunternehmen für ländliche Räume und Kommunen umfassend untersucht hat. Die Studie liefert wichtige Erkenntnisse zur Erfüllung des Verfassungsauftrags, gleichwertige Lebensverhältnisse in städtischen und ländlichen Regionen sicherzustellen. Sie wurde im Auftrag der Stiftung Familienunternehmen vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW) erstellt.

Familienunternehmen im ländlichen Raum

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Familienunternehmen sind überall - in der Stadt und auf dem Land. In ländlichen Gegenden, die viele Familienunternehmen haben, läuft es besser, als in Regionen mit einem geringeren Anteil an Familienunternehmen. Die Kaufkraft ist höher, die Arbeitslosigkeit niedriger und es gibt mehr Ausbildungsplätze. Das zeigt eine Studie, die das IW Köln im Auftrag der Stiftung Familienunternehmen erstellt hat.

 

Ausgangssituation in Deutschland
Interaktive Karte zur Bedeutung der Familienunternehmen
Studie zur Bedeutung der Familienunternehmen für den ländlichen Raum
Wie die ländlichen Räume gestärkt werden können
Material zum Thema Familienunternehmen in ländlichen Räumen


Ausgangssituation in Deutschland

Die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse in Deutschland ist ein im Grundgesetz festgehaltener Auftrag an alle politischen Institutionen. Doch zuletzt war die Regionalpolitik wieder in den Fokus gerückt. Entwicklungen wie die Landflucht, also die Abwanderung von ländlichen Kommunen in Richtung größerer Ballungsgebiete und Metropolen, haben dazu beigetragen.

Mitte 2018 hat die Bundesregierung unter Federführung des Bundesinnenministeriums die Kommission für gleichwertige Lebensverhältnisse eingesetzt. Sie soll die räumliche Entwicklung in Deutschland mit ihren vielfältigen Problemlagen in den einzelnen Kommunen untersuchen. Ziel ist es auch, Lösungsansätze für drängende Probleme, vor allem in strukturschwachen ländlichen Regionen, zu erarbeiten.

Im internationalen Vergleich sind viele Regionen und Kommunen in Deutschland sehr erfolgreich. In vielen Gemeinden finden die Menschen gleichgute Lebensverhältnisse vor wie in den Ballungszentren. Auch ein oft beklagtes Auseinanderdriften urbaner und ländlicher Landesteile lässt sich wissenschaftlich nicht belegen. Im Gegenteil zeigt sich bei wirtschaftlichen Kernkriterien sogar eine Konvergenz der Regionstypen in Deutschland.

Eine weitere deutsche Besonderheit ist die dezentrale Struktur der Wirtschaft. Selbst in historisch von Landwirtschaft geprägten Landesteilen finden sich heute viele starke Familienbetriebe. Viele davon sind so genannte "Hidden Champions", also Weltmarktführer in technologischen Nischen, und beschäftigen Hunderte oder Tausende an Mitarbeitern. Die Dax-Konzerne sind hingegen in den Metropolen konzentriert.

„Familienunternehmen sind ein Garant dafür, dass die Menschen abseits der Metropolen gut leben können. Sie festigen den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Zusammenhalt und ermöglichen gleiche Lebensverhältnisse in Stadt und Land. Gleichwertige Lebensverhältnisse in Deutschland kann es nur mit starken Familienunternehmen geben.“
Professor Rainer Kirchdörfer,
Vorstand der Stiftung Familienunternehmen

Interaktive Karte zur Bedeutung der Familienunternehmen

Studie zur Bedeutung der Familienunternehmen für den ländlichen Raum

Die Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) zeigt nun auf, dass positive Lebensbedingungen in ländlichen Gebieten und Kommunen auch mit einem hohen Anteil an Familienunternehmen einhergehen. Untersucht wurden dafür 215 ländliche Landkreise in Bezug auf Bevölkerungsentwicklung, Innovation, Wohlstand, Arbeitslosigkeit, Ausbildung und kommunale Finanzen.

Zugleich wird erfasst, wie hoch der Anteil von Familienunternehmen ist. Um ihre lokale Bedeutung besser untersuchen zu können, konzentrierten sich die Forscher auf größere Familienfirmen ab 50 Mitarbeiter. Es wurden also so genannte KMU (kleine und mittlere Unternehmen) wie auch große Unternehmen betrachtet. Insgesamt sind bei diesen Unternehmen 2,5 Millionen Mitarbeiter der insgesamt 5,7 Millionen Beschäftigten in ländlichen Räumen und Kommunen angestellt.

 

In ausnahmslos allen Kategorien sind Landkreise mit hohem Anteil an Familienfirmen erfolgreicher als Landkreise mit einem niedrigen Anteil:

  • Die Arbeitslosenquote ist in besonders von Familienunternehmen geprägten Landkreisen niedriger als in der Gruppe mit den geringsten Anteilen (2,8 Prozent vs. 5,5 Prozent). Diese Landkreise verzeichneten zudem in Zehnjahresfrist einen besonders deutlichen Beschäftigungszuwachs (21 Prozent vs. 15 Prozent).
  • Die Ausbildungsquote steigt mit hoher Präsenz von Familienfirmen: Die Ausbildungsquote beträgt in Regionen mit einem hohen Anteil 4,9 Prozent, in Gebieten mit einem niedrigen Anteil sind es 3,7 Prozent.
  • Die Bevölkerungsentwicklung ist deutlich positiver. Während sich die Bevölkerung in den Kommunen mit einem höheren Familienunternehmensanteil im Zeitraum von 2008 bis 2018 im Schnitt positiv entwickelt hat (+2 Prozent), ging die Bevölkerung in Gebieten mit einem unterdurchschnittlichen Anteil zurück (-2,6 Prozent). Den höchsten Zuwachs konnte der Kreis Erding (Bayern) verzeichnen (Bevölkerungsplus von elf Prozent), wo überdurchschnittliche viele Familienfirmen ansässig sind. Den deutlichsten Rückgang verzeichnete der Kreis Mansfeld-Südharz (Sachsen-Anhalt) mit einem unterdurchschnittlichen Anteil.
  • Landkreise mit vielen Familienunternehmen sind innovativer. Im Schnitt vermelden sie mit einem sehr hohen Anteil fast dreimal so viele Patente je 100.000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigter (120 vs. 45 Anmeldungen). Auch der Anteil an Beschäftigten in den für Innovationen bedeutsamen mathematisch-naturwissenschaftlich geprägten MINT-Berufen ist höher (22,5 Prozent vs. 20 Prozent).
  • In Landesteilen mit einem besonders hohen Familienunternehmensanteil fällt das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf mit durchschnittlich 33.200 Euro pro Kopf höher aus als in den Gruppen mit niedrigen Anteilen (knapp 28.500 Euro pro Kopf). Die Kaufkraft ist umso höher, je stärker Landkreise von Familienunternehmen geprägt werden. Auch die Produktivität ist höher.
  • Die kommunalen Finanzen sind in Landesteilen mit höheren Familienunternehmensanteilen besser. Im Schnitt ist die Verschuldung der öffentlichen Hand in den beiden am stärksten von Familienunternehmen geprägten Gruppen um 11 Prozent niedriger als in Kommunen mit einem geringen Familienunternehmensanteil (1.200 Euro vs. 1355 Euro je Einwohner).
„Familienunternehmen übernehmen Verantwortung in ihren Heimatregionen. Während die meisten anonymen Großkonzerne ihre Zentralen in den Metropolen haben, sind Familienunternehmen in ihren Regionen fest verwurzelt. Viele von ihnen sind Weltmarkführer. Sie bieten nicht nur in der Fertigung, sondern auch in der Forschung und Entwicklung qualifizierte Arbeit. Diese Wirtschaftskraft strahlt positiv auf eine ganze Region aus.“
Professor Rainer Kirchdörfer,
Vorstand der Stiftung Familienunternehmen

Wie die ländlichen Räume gestärkt werden können

Die Ergebnisse lassen darauf schließen, dass Familienunternehmen ein strukturbestimmender Faktor für die ländlichen Räume und Kommunen sind. Eine bessere Berücksichtigung dieses Sachverhaltes kann am Ende auch dazu beitragen, dass die Politik dem Verfassungsauftrag, „gleichwertige Lebensverhältnisse“ in Deutschland zu befördern, gerecht wird.

Wichtig sind dafür die Rahmenbedingungen für Familienunternehmen auf dem Land oder in kleineren Städten und Gemeinden. Die Ballungsräume bieten in der Regel die besseren Rahmenbedingungen. Entsprechend sind Familienbetriebe auf dem Land benachteiligt.

Beispiele:

  • Für Unternehmen sind Kooperationsmöglichkeiten mit Wissenschaftseinrichtungen abseits der Metropolen deutlich schlechter realisierbar, da es weniger entsprechende Einrichtungen in den ländlichen Räumen gibt.
  • Auch die Infrastruktur – sei es die digitale oder die Verkehrsinfrastruktur – ist schlechter ausgeprägt als in städtischen Gebieten. Damit besteht die Gefahr, dass Familienbetriebe den Anschluss verlieren und die dezentralen Stärken Deutschlands geschwächt werden.
  • Auch im Hinblick auf die allgemeine Attraktivität eines ländlich geprägten Landkreises bestehen häufig Nachteile. Eine schlechtere Ausstattung mit Bildungseinrichtungen sowie mit Einrichtungen zur Gesundheits- und Daseinsvorsorge mindert die Attraktivität dieser Räume für den Zuzug von Fachkräften, die für die Unternehmen vor Ort von großer Bedeutung sind.

Die Studie des IW spricht deswegen von der Notwendigkeit, die Bedeutung der dünn besiedelten Gebiete und der dort ansässigen Unternehmen für den Wirtschaftsstandort Deutschland politisch zu würdigen. Insbesondere die dort tätigen Familienunternehmen benötigen geeignete Rahmenbedingungen. Sie benennen mehrere politische Prioritäten:

  • Mit verbesserten Kooperationsmöglichkeiten zwischen Unternehmen und Wissenschaftseinrichtungen sowie einer geeigneten Förderung des Gründungsgeschehens würden regionale Innovationssysteme gestärkt. Dazu eigneten sich beispielsweise die Einrichtung von Innovationshubs in den ländlichen Räumen, in denen Unternehmen, Startups und Wissenschaftseinrichtungen räumlich nah beieinander angesiedelt seien.
  • Die Bereitstellung einer angemessenen Infrastruktur sowohl im digitalen Bereich als auch im Verkehrsbereich sei unabdingbar im ländlichen Raum. Gerade der Ausbau der digitalen Infrastruktur schreite in den ländlichen Räumen oftmals langsamer voran als in städtischen Gebieten. Dabei sei ein leistungsfähiger Mobilfunk ebenso wichtig wie ein kabelgebundenes Netz.
  • Auch Maßnahmen zur Gewinnung von Nachwuchs- und Fachkräften stellten geeignete Instrumente dar. Wichtig sei ein gut ausgebautes Bildungswesen – von Kinderbetreuungseinrichtungen bis zu Hoch- und Berufsschulen – sowie eine adäquate soziokulturelle Infrastruktur auf kommunaler Ebene.

Material zum Thema Familienunternehmen in ländlichen Räumen

Studie „Die Bedeutung der Familienunternehmen für ländliche Räume“
Raumtypen - Stadt- und Landkreise Deutschland