Deutschland im Standortwettbewerb
Größere Familienunternehmen sind meist international aktiv, aber gleichzeitig fest an ihren regionalen Standorten verwurzelt. Die internationalen Standortbedingungen sind deshalb für sie von besonderer Bedeutung.
Die Stiftung Familienunternehmen lässt deswegen schon seit Jahren die Standortkriterien Deutschlands sowie wichtiger Industrienationen und aufstrebender Märkte aus Sicht der Familienunternehmen untersuchen. Die Studien des ifo Instituts und des Zentrums für Wirtschaftsforschung (ZEW) erlauben wichtige Rückschlüsse auf internationale Trends im Standortwettbewerb und die langfristige Entwicklung der Wettbewerbsposition Deutschlands.
Deutschland ist als Standort für Familienunternehmen keineswegs konkurrenzlos. Das zeigt der "Länderindex
Familienunternehmen", ein Standortvergleich von 21 OECD-Staaten in sechs Themengebieten, die
für Familienunternehmen von besonderer Bedeutung sind. 16 der untersuchten Industriestaaten schneiden in
diesem Standortvergleich besser ab als Deutschland. Die besser positionierten Standorte sind meist kleinere
Staaten West- und Nordeuropas. Sie liegen entweder seit der erstmaligen Erhebung des Ländervergleichs 2006
bereits vorne oder sie haben sich über die Jahre nach vorne gearbeitet (wie die Niederlande oder
Tschechien).
Untersucht und verglichen werden die Themengebiete „Steuern“, „Arbeitskosten,
Produktivität, Humankapital“, „Regulierung“, „Finanzierung“,
„Öffentliche Infrastruktur“ und „Energie“.
Während Deutschland sich in den Bereichen „Unternehmensfinanzierung“ und „Regulierung“ seit Erhebungsbeginn verbessert hat, fiel es auf den Feldern „Steuern“, „Infrastruktur und Institutionen“ zurück. Ein Vergleich der einzelnen Länder und Kategorien kann über die interaktive Grafik der Stiftung Familienunternehmen zum "Länderindex Familienunternehmen" abgerufen werden.
„Deutschland ist mit einem Verlust von fünf Rangplätzen der große Verlierer in dieser Vergleichsrechnung. Negativ ist die Entwicklung insbesondere in den Bereichen ‚Steuern‘ und ‚Infrastruktur und Institutionen‘. Positive Entwicklungen sind in den Dimensionen ‚Regulierung‘, ‚Finanzierung‘ und ‚Energie‘ zu beobachten, die aber die negativen Tendenzen in den beiden genannten Bereichen nicht kompensieren können.“
Prof. Dr. Friedrich Heinemann, Forschungsbereichsleiter am Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW),
Autor der Studie "Länderindex Familienunternehmen"
Die Attraktivität eines Standortes lässt sich auch am Investitionsverhalten der Unternehmen ablesen. Das ifo Institut hat 2017 im Rahmen der Umfragereihe „Jahresmonitor der Stiftung Familienunternehmen“ 1.500 Familienunternehmen und Nicht-Familienunternehmen zu ihrem Investitionsverhalten befragt.
Familienunternehmen stehen der Erhebung zufolge zum Standort Deutschland. 51,3 Prozent der befragten Familienunternehmen planen Investitionen auf stabilem Niveau. Allerdings kündigten nur 36,3 Prozent an, in den kommenden Jahren ihren Investitionsanteil in Deutschland erhöhen zu wollen. In den vergangenen fünf Jahren hatten noch 51,2 Prozent den Anteil der heimischen Investitionen gesteigert.
Die Befragung legt nahe, dass Kapazitätserweiterungen zunehmend im Ausland stattfinden, während in Deutschland eher in den Ersatz investiert wird. Eine Verlagerung von bestehenden Arbeitsplätzen geht damit für die überwiegende Mehrheit der befragten Unternehmen (95,8 Prozent) allerdings nicht einher.
Negativ auf die Investitionen in Deutschland haben sich den Familienunternehmen zufolge die Lohnkosten (35,3 Prozent) sowie die wirtschaftspolitischen und steuerlichen Rahmenbedingungen (29,6 Prozent und 26,8 Prozent) ausgewirkt. Auf die Frage, was die Bundesregierung zur Investitionssteigerung tun müsse, rangiert der Bürokratieabbau bei 65,1 Prozent der befragten Familienunternehmen und Nicht-Familienunternehmen ganz oben auf einer Prioritätenliste.
Nicht nur die Industriestaaten sind als Standorte für Familienunternehmen interessant. Die Stiftung Familienunternehmen hat daher sechs Emerging Markets im Hinblick auf ihre Standorteignung für Familienunternehmen untersucht. Der „Länderindex Familienunternehmen“ zu den Emerging Markets kommt zu dem Schluss: Russland, China und die Türkei bieten Familienunternehmen die attraktivsten Standortbedingungen unter den wichtigsten Schwellenländern. Die Studie zeigt auf, dass Staaten wie Russland und die Türkei ein hohes Potenzial für eine Intensivierung der Geschäftsbeziehungen mit der Europäischen Union bieten. Ein Ende der politischen Spannungen hätte positive wirtschaftliche und politische Folgen.
Russland konnte die Stellung als attraktivster Standort im Kreis der wichtigsten Emerging Markets ausbauen. Familienunternehmen können auf gut ausgebildete Arbeitskräfte zugreifen. Die Regelungen in den Bereichen Besteuerung, Regulierung sowie Energiekosten sind günstig. Die größte Schwäche des Standorts bleibt allerdings die Dimension „Institutionen“. In der Kategorie erzielt das Land wegen autokratischer Tendenzen das zweitschlechteste Ergebnis. Auch in den Bereichen Rechtssicherheit und Eigentumsrechte schneidet Russland schlecht ab.
Ähnlich verhält es sich mit der Türkei. Das Land hat in den vergangenen Jahren viel unternommen, um sich für Investoren und heimische Familienunternehmen attraktiver aufzustellen. Das Land bietet günstige Steuerregelungen und ein liberales Regulierungsumfeld sowie gut ausgebildetete Arbeitskräfte. Die institutionellen Bedingungen sind – ähnlich wie im Fall Russlands – die größte Schwachstelle.
Auch China hat seine Wettbewerbsfähigkeit verbessert. Die Staatsführung geht hart gegen Kriminalität und Korruption vor, die Finanzierungsbedingungen sind gut. Die klare Standortschwäche liegt auf dem Arbeitsmarkt. Die hohen Löhne stehen einer vergleichsweise geringen Produktivität gegenüber, es gibt darüber hinaus Defizite beim Bildungsniveau.
Stärken-/Schwächen-Profile der Schwellenländer
Subindex | RUS | TR | CHN | ZA | MEX | IND | BR |
---|---|---|---|---|---|---|---|
Steuern | 67,04 | 83,04 | 57,02 | 58,64 | 35,51 | 14,89 | 42,37 |
Arbeit | 68,06 | 67,12 | 29,77 | 57,61 | 58,54 | 41,36 | 37,93 |
Regulierung | 62,75 | 77,28 | 45,59 | 49,73 | 73,99 | 39,55 | 26,27 |
Finanzierung | 55,32 | 59,12 | 65,31 | 41,88 | 70,35 | 38,41 | 38,09 |
Infrastruktur | 74,59 | 55,95 | 56,55 | 43,04 | 35,41 | 33,29 | 21,97 |
Institutionen | 29,45 | 41,98 | 93,70 | 69,88 | 8,56 | 73,02 | 40,92 |
Energie | 80,00 | 42,01 | 53,99 | 24,61 | 67,78 | 54,37 | 54,52 |
Gesamtindex | 61,30 | 59,93 | 58,03 | 50,55 | 47,94 | 43,77 | 37,27 |
© Stiftung Familienunternehmen |
Teilauswertung: „Länderindex Familienunternehmen – Außenhandelsrisiken / Brexit“
Studie: „Investitionsverhalten und dessen Einflussfaktoren – Jahresmonitor der Stiftung Familienunternehmen“
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