Weckruf für eine smarte Integration in der Europäischen Union
Bei aller Kritik an der Brüsseler Bürokratie: Familienunternehmen in vier großen Ländern Europas blicken im Grundsatz positiv auf die EU als Markt und Investitionsstandort. Voller Ungeduld warten sie darauf, dass der Wirtschaftsraum endlich vollendet, wofür er angetreten ist. Klügere Regulierung und eine smarte Integration könnten ungeahnte Kräfte entfesseln.
Brüssel, den 16. September 2025. Die Rolle von Familienunternehmen als Rückgrat und Wachstumsmotor der Wirtschaft wird in Europäischen Union (EU) oft unterschätzt. Doch die Stiftung Familienunternehmen, Förderer der Wissenschaft seit 2002, lenkt den Blick auf die Kräfte, die hier lauern. Was für ihre Mobilisierung passieren muss, zeigt eine Umfrage in Frankreich, Italien, Spanien und Deutschland unter 2400 Unternehmen, davon rund 80 Prozent Familienunternehmen.
In einer wirtschaftlichen Lage, die durch große geopolitische Herausforderungen und die Nachwirkungen vergangener Krisen geprägt ist, glauben die befragten Gesellschafter und Top-Manager weiter an die wirtschaftliche Erholung, und zwar in erstaunlicher Eintracht über die Länder hinweg.
66 Prozent der befragten Gesellschafter und Top-Manager erwarten, dass der Zustand ihrer Unternehmen in fünf Jahren etwas besser oder sogar viel besser sein wird als heute. 60 Prozent betrachten ihren Heimatmarkt als guten Investitionsstandort. Und wenn sie darüber nachdenken, wo sie sonst investieren könnten, fallen ihnen in erster Linie die EU-Nachbarstaaten ein – erst danach die USA, China oder die Schweiz.
Begrenztes Vertrauen in die EU-Institutionen
Doch der Optimismus ist an Bedingungen geknüpft, und die Rolle der EU-Institutionen wird durchaus kritisch gesehen. Vertrauen sieht anders aus. Uferlose Compliance-Vorgaben erfordern Ressourcen, die man eigentlich für Wachstum einsetzen könnte, meinen 76 Prozent der Befragten. Komplizierte und sich ständig ändernde Regeln schüren Unsicherheit. Dabei lauten die wichtigsten Probleme der Unternehmen: Fachkräftemangel sowie hohe und volatile Energiepreise.
Offensichtlich soll die EU bei den vier Grundfreiheiten (Güter, Dienstleistungen, Kapital und Menschen) endlich liefern. Fast zwei Drittel der befragten Unternehmen geben an, dass eine Vertiefung des gemeinsamen Marktes große Chancen für sie bereithielte. Immerhin ein Drittel hofft auf mehr Widerstandsfähigkeit durch bessere Bedingungen für den grenzüberschreitenden Handel in der EU und darüber hinaus. 36 Prozent wünschen sich besseren Zugang zu Fachkräften, um ihre Resilienz zu erhöhen.
Familienunternehmen sind besonders widerstandsfähig und denken langfristig, eben in Generationen. Doch wenn die potenziellen Unternehmensnachfolger Mut fassen sollen, brauchen sie attraktive und verlässliche Rahmenbedingungen. Die Umfrage, durchgeführt von Edelman Data & Intelligence, zeigt das für die vier größten Volkswirtschaften der EU.
Gerade in dieser unsicheren Weltlage und wirtschaftlichen Flaute, muss die Vertiefung der EU endlich Tempo aufnehmen, um den Binnenmarkt zu vollenden. Die Familienunternehmen, Rückgrat der europäischen Wirtschaft, haben ihr Vertrauen in die Kraft dieser Gemeinschaft noch nicht ganz verloren. Aber sie erwarten zurecht dringend vernünftigere Bedingungen für Unternehmertum.
Dr. David Deißner, Geschäftsführer der Stiftung Familienunternehmen
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