Energiepreise und Importrisiken im Standortvergleich
- Herausgeber
- Stiftung Familienunternehmen
- Veröffentlichung
- München, 2025
- Institut
- ZEW Mannheim
Calculus Consult - Isbn
- 978-3-948850-68-5
Industrieunternehmen in Deutschland und Europa können im internationalen Wettbewerb immer schwerer mithalten. Dem Standort fehlt preisgünstige Energie als wichtiger Produktionsfaktor.
Die Energiekrise von vor drei Jahren scheint überwunden, als der plötzliche Ausfall russischer Gaslieferungen die Gas- und Strompreise auf historische Höchststände trieb. Doch die Wettbewerbsfähigkeit hat womöglich dauerhaft Schaden genommen.
Daher zum zweiten Mal diese Sonderstudie des ZEW Mannheim zum Länderindex Familienunternehmen: eine detaillierte Analyse der Energiepreise und Importrisiken von 21 Standorten.
Energiepreise deutlich über Vorkrisenniveau
Die Studie zeigt, dass die Preise für Strom und Gas in den meisten europäischen Ländern nach wie vor deutlich über den Vorkrisenniveaus liegen.
Im europäischen Preisgefüge nimmt Deutschland aus Unternehmenssicht bei den Strompreisen eine mittlere Position ein. Allerdings liegt dieses mittlere europäische Strompreisniveau weit über dem von Nordamerika.
Gaspreise in Deutschland im europäischen Vergleich hoch
Bei den industriellen Gaspreisen liegt Deutschland auch in Europa im oberen Drittel, während hier vor der Energiekrise im europäischen Vergleich noch unterdurchschnittliche Preise zu verzeichnen waren. Bei den Gaspreisen ist das atlantische Preisgefälle besonders eklatant. Auch die industriellen Gaspreise an den günstigsten europäischen Standorten betragen ein Vielfaches der US-Notierungen.
Preisabstand zu Kanada und USA vergrößert
In Kanada und den USA sind die Strompreise in den Krisenjahren nur geringfügig gestiegen und die Gaspreise in den USA sogar weiter gefallen. Damit hat sich der Preisabstand zu Nordamerika deutlich vergrößert, und Europa hat als Standort für energieintensive Produktionen gegenüber Nordamerika weiter an Wettbewerbsfähigkeit verloren. Dies spiegelt sich auch in der Entwicklung der Industrieproduktion energieintensiver Branchen in Deutschland wider: Im Frühjahr 2025 lag diese fast 20 Prozent unter dem Wert von 2022.
Importrisiko deutlich verringert
Die Risikoanalyse in Bezug auf Energieimporte belegt, dass die Lage heute deutlich entspannter ist:
Das früher durch die Russland-Abhängigkeit bestehende hohe Risiko für die Versorgungssicherheit des Energiesystems konnte in Deutschland und vielen anderen EU-Mitgliedstaaten erheblich reduziert werden.
In der Stromproduktion hat auch die wachsende Bedeutung der erneuerbaren Energien dazu beigetragen. Nennenswerte Russland-Abhängigkeiten bestanden zuletzt noch in Ungarn, der Slowakei und Österreich.
Hinsichtlich der Krisenregion Naher Osten belegen die Importanalysen, dass die Entkopplung der Energieimporte von Russland in Europa nirgends durch gravierende neue Abhängigkeiten von Einfuhren aus der Golfregion erkauft wurde.
Mit zur Risikoverminderung hat beigetragen, dass Deutschland zu den Ländern gehört, die in absoluter Betrachtung 2023 weniger Steinkohle, Gas und Öl als noch zwei Jahre zuvor verbraucht haben, und unter allen betrachteten Ländern sogar den größten absoluten Rückgang vorzuweisen hat.
War Deutschland noch 2021 das Land, das in absoluter Betrachtung die höchsten risikobehafteten Energieimporte aufwies, sind die mit Länderrisiken behafteten Importe auch absolut auf ein Niveau abgesunken, welches nun dem Spaniens und Frankreichs entspricht.
Ausstieg aus besonders energieintensiven Produktionen
Es zeigt sich, dass die Energieintensitäten in allen Wirtschaftsbereichen zurückgegangen sind. Dies ist in den energieintensiven Industriezweigen wie der Chemie- und Metallindustrie, die in Deutschland gegenüber Regionen wie Nordamerika einen erheblichen Wettbewerbsnachteil haben, auch auf den Ausstieg aus besonders energieintensiven Produktionslinien zurückzuführen.
Der möglicherweise dauerhafte Verlust von Produktionen betrifft dabei Arbeitsplätze mit einer weit überdurchschnittlichen Wertschöpfung. Damit trägt diese Entwicklung zur dauerhaften Schwächung des deutschen Wachstumspotenzials bei.
Kosten der Strombereitstellung senken
Das Ziel der neuen Bundesregierung, den Strompreis zu senken, bewertet das Forscherteam als grundsätzlich richtig, da hohe Preise nicht nur die Wettbewerbsfähigkeit beeinträchtigen, sondern auch die notwendige Elektrifizierung im Zuge der Dekarbonisierung behindern.
Dabei sollte sie jedoch auf eine Subventionierung des Stroms verzichten. Stattdessen sind Maßnahmen vorzuziehen, die die Kosten der Strombereitstellung senken. Diese wären zum Beispiel Verbesserungen beim Stromnetz und dessen Design.
Regionale Strompreise für mehr Effizienz
Die geplanten Investitionen in den Netzausbau, die Digitalisierung und Flexibilisierung sind sinnvoll, da sie dabei helfen können, Netzentgelte durch eine bessere Steuerung und Lastverteilung zu senken. Auch regionale Strompreise könnten dabei helfen, das Netz effizienter zu nutzen und Kosten zu reduzieren. Regionale Strompreise würden zusammen mit einem stärker flexibilisierten Netz dazu beitragen, die Netze ins Gleichgewicht zu bringen und die hohen Redispatch-Kosten zu verringern.
Keine nationalen Alleingänge beim Kohleausstieg
Kostensenkungen müssen zudem durch eine effiziente Dekarbonisierung erfolgen. Maßnahmen mit überhöhten CO2-Vermeidungskosten – etwa nationale Alleingänge wie beim Kohleausstieg – sind teuer und in Europa wirkungslos. Daher ist es positiv, dass die neue Regierung auf eine weitere Vorverlegung des Kohleausstiegs verzichtet. Ebenso begrüßenswert sind die geplante Unterstützung von CO2-Abscheidung und -Speicherung sowie das Engagement für die preisliche Belohnung von Negativemissionen im europäischen Emissionshandel.
Flexible Kraftwerke ausbauen für sichere Versorgung
Neben den Kosten ist für die Industrie auch die Versorgungssicherheit bedeutsam. Das deutsche Stromnetz ist bislang äußerst zuverlässig. Um dies auch zukünftig zu gewährleisten, sind flexible Kraftwerke zur Deckung der Residuallast, des über die schwankende Erzeugung aus erneuerbaren Energien verbleibenden Strombedarfs, notwendig. Die Absicht der Bundesregierung, den Bau solcher Kraftwerke durch eine Beschleunigung der Kraftwerksstrategie voranzutreiben, ist daher zu begrüßen.
Prof. Dr. Friedrich Heinemann zu den zwei Schwerpunkten der Studie: Den Kosten für Strom und Gas sowie den Importrisiken von Energie und Energieträgern. Außerdem zu den politischen Handlungsempfehlungen aus Sicht der Wissenschaft.