Durch Energiekrise industrielle Basis ein Stück weit verloren
Die akute Energiekrise, die den Kontinent ab 2022 heimgesucht hat, scheint überwunden. Doch die Preise bleiben hoch, und energieintensive Produktion verschwindet schleichend aus Deutschland. Kann die Bundesregierung diesen Trend stoppen? Eine neue Studie der Stiftung Familienunternehmen gibt Antworten.
München, den 14. Oktober 2025. Die Industrieproduktion energieintensiver Branchen lag im Frühjahr 2025 fast 20 Prozent unter dem Wert von 2022. Dieser möglicherweise dauerhafte Verlust von Produktion betrifft Arbeitsplätze mit einer weit überdurchschnittlichen Wertschöpfung. Oberstes Ziel der Bundesregierung sollte sein, die Kosten der Energiebereitstellung zu senken, das Stromnetz stabil zu halten und wirkungslose Alleingänge in Europa zu vermeiden.
Das ist die Diagnose von Professor Friedrich Heinemann vom Wirtschaftsforschungsinstitut ZEW in Mannheim. Im Auftrag der Stiftung Familienunternehmen hat er zum zweiten Mal die Energiepreise und Importrisiken von jenen 21 Ländern untersucht, die auch im Standortranking „Länderindex Familienunternehmen“ verglichen werden.
Die gute Nachricht: War Deutschland in der vorhergehenden Betrachtung 2022 noch ein Land mit besonders hohem Energieimportrisiko, ist das nun Geschichte. Der Import von Gas und Flüssiggas aus anderen Quellen als Russland hat schnell funktioniert, ohne mit neuen Abhängigkeiten etwa von der Golfregion erkauft worden zu sein. Der starke Zuwachs der erneuerbaren Energien hat die Importabhängigkeit von fossilen Brennstoffen ebenfalls gesenkt.
Chancenlos gegenüber Nordamerika
Dennoch: Die Preise für Strom und Gas liegen in den meisten europäischen Ländern nach wie vor deutlich über dem Vorkrisenniveau. Zwar ist Strom in Deutschland aus Unternehmenssicht verglichen mit anderen Standorten in Europa nicht am teuersten, aber weit teurer als in Nordamerika. Noch ernster ist die Lage beim Gas, wo Deutschland in Europa für industrielle Verbraucher preislich im oberen Drittel liegt. Und: Die Gaspreise betragen selbst an den günstigsten europäischen Standorten ein Vielfaches der US-Notierungen.
Prof. Dr. Friedrich Heinemann zu den aktuellen Preisen für Gas und Strom in Deutschland gegenüber der Energiekrise im Jahr 2022 und zu den aktuellen Energieimportrisiken.
Heinemann spricht sich gegen eine Subventionierung von Energiepreisen aus. Vielmehr müssten die Bereitstellungskosten sinken, etwa beim Strom. Die hohen und steigenden Netzentgelte seien maßgeblich auf regionale Ungleichgewichte zwischen Angebot und Nachfrage zurückzuführen. Für Heinemann ist daher zur Effizienzsteigerung die Idee regionaler Großhandelspreise für Strom nicht vom Tisch. Sie würden Anreize setzen, den Strom dort zu produzieren, wo er auch gebraucht wird.
Vom Tisch ist auch nicht die Dekarbonisierung, also das Umschwenken auf kohlenstofffreie Energiequellen. Diese müsse gemäß den international eingegangenen Verpflichtungen vorangetrieben werden. Dabei sollten nur Projekte umgesetzt werden, deren Kosten pro eingesparter Tonne CO2 niedriger sind als die CO2-Preise im internationalen Emissionshandel. Eine sichere Versorgung müsse gewahrt, Strompreisspitzen vermieden werden. Daher begrüßt die Studie ausdrücklich, dass die Bundesregierung zu diesem Zweck nun den Bau flexibler Gaskraftwerke beschleunigen will.
Deutschland hat in den zurückliegenden Jahren eine erratische und kostspielige Energiepolitik betrieben. Meine Überzeugung ist, dass wir alle nationalen und europäischen Energiequellen nutzen müssen und es hier keine Denkverbote geben darf. Die nun angekündigte Rückkehr zur Vernunft begrüßt nicht nur unser Studienautor, sie ist auch dringlich für die Familienunternehmen. Eine klare Verbesserung des Angebots, eine Bewahrung der Versorgungssicherheit und eine Erleichterung der CO2-Abscheidung sind überlebenswichtig für Deutschlands industrielle Basis.
Prof. Rainer Kirchdörfer, Vorstand der Stiftung Familienunternehmen
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