Leistung ist Kern des Gerechtigkeitsempfindens in Deutschland
Materielle Gleichheit empfinden die Deutschen kaum als gerecht – gefragt sind faire Startchancen und Leistungsgerechtigkeit. Eine neue repräsentative Umfrage zeigt zudem: Viele Deutsche empfinden ihre persönliche wirtschaftliche Situation als fair. Doch wenn es um die Verhältnisse im Allgemeinen geht, sind sie eher kritisch.
München, den 12. Mai 2025. Eine Mehrheit der Deutschen versteht materielle Gerechtigkeit als Ergebnis von Anstrengung. So sagen 77 Prozent der deutschen Bevölkerung, wer mehr leistet, soll auch mehr verdienen. Nur knapp ein Viertel hält hohe Einkommen oder große Vermögen grundsätzlich für problematisch und plädiert für staatliche Eingriffe.
Was die Deutschen für gerecht halten, hat das Institut für Demoskopie Allensbach im Auftrag der Stiftung Familienunternehmen ermittelt. Dazu wurden im Oktober 2024 rund 1040 Interviews geführt, mit einem repräsentativen Querschnitt der Bevölkerung ab 16 Jahre. Die Umfrage hat die Stiftung Familienunternehmen im Rahmen ihres neuen Buchs „Gerechtigkeit: Wie wir unsere Gesellschaft zusammenhalten“ veröffentlicht.
Die Ergebnisse zeigen: Mehr als die Hälfte empfindet die eigene wirtschaftliche Situation als gerecht. Doch beim Blick auf das große Ganze überwiegt Skepsis. Weniger als 20 Prozent halten die wirtschaftlichen Verhältnisse in Deutschland für fair – in Ostdeutschland sind es sogar nur neun Prozent. „Die Deutschen schätzen die Verhältnisse im Land oft schlechter ein, als es ihre persönlichen Erfahrungen rechtfertigen würden“, sagt Nils Goldschmidt, Mitglied des Deutschen Ethikrates und Autor des Buchs.
Zwölf Gerechtigkeitsaspekte hat Allensbach abgefragt – darunter Fragen zu Religion, globaler Verteilung, Energiepreisen und sozialer Absicherung. Materielle Gleichheit hat den geringsten Stellenwert. Nur 21 Prozent halten es für fair, wenn alle Menschen ähnlich viel Geld zur Verfügung hätten. Zudem stimmen 82 Prozent zu, dass Arbeitslose deutlich weniger Geld bekommen sollten als Berufstätige. Doch Gerechtigkeit bemessen die Deutschen nicht allein über das Gehalt oder Vermögen. 91 Prozent finden, alle Kinder sollten die gleichen Chancen auf eine gute Schulbildung haben.
Buch beleuchtet unterschiedliche Perspektiven auf Gerechtigkeit
Das Buch versammelt 26 Interviews mit führenden Köpfen aus Wissenschaft, Politik, Wirtschaft und öffentlichem Leben, national und international. Zu den Gesprächspartnern zählen Francis Fukuyama, Sigmar Gabriel, Carsten Linnemann, Paul Milgrom, Martha Nussbaum, Christiane Nüsslein-Volhard, Carlo Masala, Ralf Fücks, Veronika Grimm. Geführt haben die Interviews Nils Goldschmidt und David Deißner, Geschäftsführer der Stiftung Familienunternehmen. Das Buch lädt ein zur Debatte – über Werte, Verantwortung und die Grundlagen eines gerechten Miteinanders.
Die Ergebnisse der Allensbach-Umfrage zeigen klar: Gerechtigkeit heißt für viele Menschen in Deutschland, dass sich Leistung lohnen muss. Genau dieses Verständnis teilen Familienunternehmen – sie stehen für das Leistungsprinzip, bekennen sich aber auch zu den Grundprinzipien der Sozialen Marktwirtschaft. Doch wenn der Abstand zwischen eigener Anstrengung und staatlicher Unterstützung schwindet, gerät der gesellschaftliche Zusammenhalt in Gefahr.
Dr. David Deißner, Geschäftsführer der Stiftung Familienunternehmen und Co-Autor des Buchs
Gerechtigkeit ist ein Thema, das Familienunternehmen besonders beschäftigt. Denn sie vereinen zwei sehr unterschiedliche Welten: In der Familie gilt das Prinzip der Gleichheit – man fördert den Schwächeren. Im Unternehmen zählt Leistung – hier werden die Stärkeren belohnt. Aus diesem Spannungsfeld erwachsen besondere Herausforderungen, aber auch wertvolle Perspektiven. Genau deshalb können Familienunternehmen wichtige Impulse für die Gerechtigkeitsdebatte geben.
Prof. Rainer Kirchdörfer, Vorstand der Stiftung Familienunternehmen und Co-Autor des Buchs
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